Fußwaschung statt betender Bergmann
Gestern, am Grün-Donnerstag dem 1. April wurde die Theler-Betsäule von Dippoldiswalde auf dem Niedert(h)orplatz mit einem neuen vom Bildhauer und Kunstschmied Peter Pechmann gestaltetem und für diese Säule gestifteten Sansteinrelief mit der Szene “Fußwaschung” aus der Bibel geweiht.
Der Dippser Dieter Mende, der sich um den Erhalt historischer Säulen verdient gemacht hat, bemängelt uns gegenüber die Tatsache, dass nicht der historische Zustand, also das in Öl auf Kupfer gemalte Nischenbild (welches schon 1947 kaum noch erkennbar war und ins Archiv des Dippser Museums eingelagert wurde) mit dem Betenden Bergmann und dem Spruch:
Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.
wieder hergestellt, sondern ein vollig anderes Motiv aus anderem Material in diese Säule eingesetzt wurde. Und er ist mit seiner Kritik nicht der einzige.
So schön und lobenswert die Erhaltung und Erneuerung der uns von unseren Vorfahren hinterlassenen Denkmale ist, sollte doch ein stärkeres Augenmerk auf eine korrekte und am früheren Zustand orientierte Erhaltung und Rekonstruktion gelegt werden. Insbesondere wenn Dokumente den ursprünglichen Zusand sehr genau belegen:
Die Theler-Betsäule von Dippoldiswalde
von Hugo Schulz, Freital (aus “Landesverein Sächsischer Heimatschutz – Mitteilungen Heft 5-8, Band 24 1935, Seiten 188 bis 191)
Zu den … wohl 600 Jahre alten Theler-Säulen von Oelsa und Ruppendorf hat sich in Dippoldiswalde mit einer schlichten Weihe eine weitere gesellt.
Diese dritte Dippoldiswalder Betsäule war einst irgendwo umgeworfen, geflickt und von offenbar unkundiger Hand “beiseite gestellt” worden. Von ihrem recht unschönen Hintergrund und dem ebenso unpassenden Gegenüber mußte sie befreit werden, wienn sie, wieder in würdige Verfassung gebracht, einen befriedigenden Eindruck hervorrufen sollte.
Das tut sie nun in vollem Maße auf dem ehemaligen Wallgraben der einst befestigten Stadt, auf stadteigenem Gebiet, da, wo sich das eine Eingangstor zur Stadt befand, inmitten altbürgerlicher Umgebung mit einem malerischen Seitenblick auf die Stadtkirche und die schöne Renaissance-Fassade des alten Rathauses der ehemals reichen und angesehenen Bergstadt; ein Platz wie geschaffen für eine Betsäule, mit einer schönen Linde und einem alten steinernen Gartenhäusel dahinter. An die ehemalige Bergstadt erinnert das von Hedi von Eckhardstein in Öl auf Kupfer gemalte Nischenbild eines betenden Bergmanns, zu dessen Füßen die Psalmworte stehen: “Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch”. Eine von einem alten Heimatfreunde gestiftete Steinbank, aus dem seit 1900 verschwundenen Brühlschen Palais in Dresden stammend, ladet zu beschaulicher Ruhe ein.
Daß die sechs sogenannten Theler-Säulen, die uns noch bekannt sind, zu den sieben Betsäulen gehören, die der Ritter Konrad von Theler auf Höckendorf, Ruppendorf und Borlas um 1320 bei Höckendorf gesetzt hat, ist wohl anzunehmen, da ihre Stilgleichheit auf dasselbe Alter deutet. Wenn wir sie heute in der Nähe Höckendorfs verstreut finden, so erklärt sich das möglicherweise daraus, daß sie in der Bilderstürmerzeit von ihrem ursprünglichen Stadnort weggeholt wurden, um als Schmuck-, Tor- oder Grenz-Säulen zu dienen…
April 2nd, 2010 at 23:43
Ein schöner Artikel. Hat bestimmt viel Zeit für die Recherche gekostet.
Danke
Wie passt aber diese Aktion zu den aktuellen Ereignissen, wo sich Dippoldiswalde aufgrund von spektakulären Funden bei der Sicherung von Tagebrüchen gerade wieder einen Namen in der Bergbauszene machen wollte? Ihre “Zeitung” schrieb darüber erst am 14. März:
http://dippolds.info/2010/03/14/archaologischer-workshop-in-dipps-geplant/
April 3rd, 2010 at 10:25
Ich kann die Argumentation des Herrn Mende gut nachvollziehen und verstehe seinen Standpunkt. Den Gedanken hinter der Säule verrät man sicherlich nicht mit dem gestifteten Bild und eigentlich bin ich froh, dass es Menschen gibt, die solch kulturellen Dingen ein schmuckes Äußeres geben (was nicht gleich völlig verhunzt aussieht).
Gerade bei Dingen die durch Dokumente ausreichend belegt sind kann man im Sinne der ewig andauernden Veränderung schon ein wenig nachsichtig sein bei der Restauration von einzelnen Objekten.
Da frage ich mich z.B. deutlich eher über den Sinn oder Unsinn des Verfüllens mit Beton von Jahrhunderte alten Stollen im Stadtgebiet deren geschichtliche Relevanz mittlerweile außer Frage stehen sollte.
April 6th, 2010 at 23:23
Gewiss, vielleicht hätte man das Bild des auf Kupfer gemalten betenden Bergmanns aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts restaurieren und in die Säule einsetzen können. D.h. aber nicht, dass damit der originale Zustand dieser Betsäule wiederhergestellt gewesen wäre, sondern eben der von 1935, als man dieser damals wohl schon länger bildlosen Säule dieses Bild einfügte. Im Mittelalter, aus dem die Säule stammt, war gewiss ein anderes Bild eingesetzt: ein biblisches Motiv oder ein Motiv mit Bezug auf einen damals geschätzten Heiligen. Wenn letzteres der Fall gewesen ist, dann wäre es denkbar, dass die Säule in der Reformationszeit dieses originale Bild verloren hat.
Die Ergänzung der Betsäule nun mit einem biblischen Motiv, das der Künstler zur recht für heute als wichtig ansieht, ist durchaus eine angemessene Ergänzung einer mittelalterlichen Betsäule. In einer Zeit der Hektik und der Konkurrenz hat eine Künstler die stille Szene, wie Jesus, der Herr, seinen Jüngern den Dienst tut, ihnen die Füße zu waschen, und so ein Zeichen setzt, dass wir Menschen einander dienen sollten, gewählt als Denkanstoß für die, die vorüber gehen.
Dass nun Herr Pechmann aus eignem Antrieb sich eingesetzt hat, die seit Jahren leere Betsäule zu ergänzen mit guter Arbeit in Sandstein ausgeführt (sicher in der Hinsicht schon sehr angemessen) und gutem Gedanken, dass der Bürgermeister dies gewürdigt und erlaubt hat, dass in einer kleinen ökumenischen Feier diese Säule neu durch den katholischen Pfarrer geweiht und von einem evangelischen Pfarer die Geschichte aus dem Neuen Testament im Blick auf die Bedeutung für die Stadt und die künstlerische Umsetzung im neuen Bild erklärt wurde – man könnte sich auch darüber freuen.
Ein Vorschlag: man könnte ja auf der Wand hinter der Säule eine Tafel anbringen, auf der etwas zur Betsäule im Mittelalter, zu ihrem weiterem Weg, dem Bild von 1935 und zu dem heutigen Bild samt biblischer Geschichte zu lesen und vielleicht auch zu sehen wäre.
April 10th, 2010 at 11:22
Die Ausstattung der Betsäule am Niedertorplatz mit dem Relief “Fußwaschung” betrachte ich als Bereicherung. Danke, Herr Pechmann! Natürlich entspricht das Bild nicht dem historischen Zustand. Der lässt sich heute nicht mehr mit Sicherheit feststellen und auch nicht wieder herstellen. Den Vorschlag von Herrn Uhlig, eine erklärende Tafel anzubringen, finde ich gut.
Mit den Theler-Säulen von Höckendorf hat diese Betsäule allerdings nichts zu tun. Die Theler-Säulen haben eine ganz andere Form und sind nur in Höckendorf und Obercunnersdorf zu finden.
April 11th, 2010 at 11:51
Diese Säule ist eine gotische Martersäule aus dem 15. Jahrhundert und hatte ein Bild des Gekreuzigten zum Jnhalt. Später beim Versetzen kam der betende
Bergmann mit der Ölfarbe bemalten Kupferplatte hinein. Diese lagert heute
noch im Kreismuseum. Leider bemüht man sich nicht um die genaue Historie
dieser Martersäle die am damaligen Fuß-und Handelsweg nach Dresden stand.
Diese Fußwaschung ist hier nicht zutreffend.