Sind die Unabhängigen Bürger wirklich unabhängig?
Klare Antwort: Nein!
Diese Antwort erteilte Irena Hoffmann, die Hauptamtsleiterin im Dippser Rathaus im Vorfeld der Kommunalwahlen 2009.
Sie heißen „Bürger Bund Bonn“, „Bürger in Wut“, „Für unser Rastatt“, „Unabhängige Wählergemeinschaft für Münster“ oder „Junges Freiburg“. Und es sind alles politische Vereinigungen, die, ohne eine Partei sein zu wollen, bei Wahlen als Wählergruppe/ Wählergemeinschaft antreten. Bei den Kommunalwahlen in Sachsen im vergangenen Jahr wurden unabhängige Wählergruppen hinter der CDU die zweitstärkste Kraft. Das sächsische Landtagswahlgesetz erlaubt allerdings keine Wählervereinigung, so dass einzelne Mitglieder der Freien Wähler 2007 eine Partei Freie Sachsen gegründet haben. Damit erreichten sie 1,4% bei der Landtagswahl 2009. Dies jedoch nur am Rande.
In Dipps heißen die Freien Wähler „Unabhängige Bürger Dippoldiswalde“. Uns interessierte, wie (un)abhängig die Vertreter der Unabhängige Bürger tatsächlich sind. Und die Antwort von Irena Hoffmann war schon recht erstaunlich.
Die Wählervereinigung muss … aus mindestens drei wahlberechtigten Personen bestehen. Als Bewerber in Wahlvorschlägen kann nur benannt werden, wer in einer Versammlung der im Zeitpunkt ihres Zusammentritts wahlberechtigten Angehörigen der Wählervereinigung von der Mehrheit der anwesenden Angehörigen der Wählervereinigung hierzu gewählt worden ist.
Es gilt, wer als Initiator noch zwei weitere Bürger findet, die wie er einen Wahlvorschlag einreichen wollen, der spricht mit ihnen ab wann und wo die erforderliche “Versammlung zur Bewerberaufstellung” erfolgt. Diese Einladung ergeht mündlich oder schriftlich und kann auch weitere Interessenten einschließen.
Ausschließlich der Einladende entscheidet, wer zum Kreis der Einzuladenden gehört.
Der Kopf der Unabhängigen Bürger in Dippoldiswalde, also der Einladende, ist der amtierende Stadtrat Gunter Ullrich. Nur wer Gunter Ullrich genehm ist, wird eingeladen bzw. angesprochen. Statt Unabhängige Bürger könnte man diese Wählervereinigung daher auch gern als „Freunde Gunter Ullrichs“ bezeichnen.
Äußerst delikat war die Kandidatur von unserem amtierenden Oberbürgermeister Ralf Kerndt, der auf der Liste der Unabhängigen Bürger den Chefsessel im Rathaus erreichen konnte. Ohne den Gönner Ullrich hätte sich Kerndt zu dieser Zeit beruflich neu orientieren müssen. Aber es reichte bekanntlich für den sicheren und gut dotierten Posten des Bürgermeisters. Und dafür kann man doch auch etwas Dankbarkeit erwarten?
Vor diesem Hintergrund sind einige Entscheidungen aus dem Rathaus/ Stadtrat vielleicht besser nachvollziehbar. Der Rechtsstreit um den Busbahnhof wäre vielleicht eher entschieden. Hier geht es ja eigentlich um Kerndt vs. Ullrich. Letzterer wird allerdings durch eine Rechtsschutzversicherung vertreten. Und trotz dieses Vorgangs beteiligt sich das Ingenieurbüro Ullrich (und Ruhsam) immer wieder fleißig und erfolgreich an städtischen Bauvorhaben.
Da im nächsten Jahr in Dippoldiswalde wieder ein(e) Bürgermeister(in) gewählt werden muss, bleibt nun die spannende Frage, wer für die Interessengruppe Ullrich antreten wird.
Eine persönliche Anmerkung: Selbst wenn Sie mal eine Einladung in den erlauchten Kreis der „Unabhängigen Bürger“ erhalten, kann es durchaus sein, dass der Freundeskreis schon vorher über Sie gerichtet hat. Dann passiert es völlig demokratisch und legal, dass Sie bei der Versammlung zur Bewerberaufstellung durchfallen. Und alle Anwesenden – außer Ihnen – haben es vorher schon gewusst. (Eine durchaus bemerkenswerte Erkenntnis bei meinem Versuch, bei der Stadtratswahl 2009 als „Unabhängiger Bürger“ zu kandidieren.)
Übrigens kann, so ergänzte Irena Hoffmann in ihrem Schreiben,
immer und zu jeder Zeit eine solche “Versammlung” stattfinden. Wenn sich z.B. an einem Familientreffen drei Anwesende (Bürger) spontan entscheiden, einen Wahlvorschlag einzureichen, so können sie mit der Versammlung sofort beginnen und ihre Bewerber aufstellen.
Damit erscheint doch die Einladung zur nächsten Geburtstagsfeier bei Tante Erna in einem völlig anderen Licht, oder?
April 27th, 2010 at 18:43
Und das Ganze nennt sich dann Demokratie, oder sollte man sagen Gönnerkratie? Eine furchbare Worterfindung, aber doch irgendwie bezeichnend.
April 29th, 2010 at 15:20
Diesen Verdacht hatte ich bei den angesprochenen Beispielen auch schon immer!
Also wäre es wohl an der Zeit sich zu dritt zu finden und Nägel mit Köpfen zu machen?? Noch sind es ja ein paar Monate bis zur nächsten BM-Wahl….
April 30th, 2010 at 09:38
Also, wenn sich noch zwei Mann (oder Frauen) zu meiner nächsten Grillfete einfinden, gründen wir die Wählervereinigung (oder besser Partei) “Freie Würstchen”. Dann treten wir zur nächsten BM-Wahl an. Aber dann geht’s ran an die Wurst! Oder um die Wurst? Na, egal. Wir sollten nur bedenken:”Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei!”
Wer sich umfassend über Wahlpraktiken im großen Stil informieren möchte, hat hier die Möglichkeit : http://www.stupidedia.org/stupi/Bundestagswahl_2009
Dezember 30th, 2010 at 15:06
[...] Die „Unabhängigen Bürger Dippoldiswalde” stellen seit mehreren Legislaturperioden den Bürgermeister. Stimmberechtigt sind jedoch nur die Bewerber, die auf der Liste der “Unabhängigen Bürger Dippoldiswalde” zur letzten Stadtratswahl angetreten sind. Ãœber die „Unabhängigkeit“ der „Unabhängigen Bürger” berichtete die StattZeitung bereits im April 2010. [...]