Gerechte Steuerpolitik statt unsozial streichen – Klaus Brähmig (MdB) lädt zur Diskussion
In den vergangenen Wochen erreichten Brähmig über zwanzig als Standard-Email verschickte Schreiben, die sich kritisch mit dem „Zukunftspaket der Bundesregierung“ auseinandersetzten.
Betreff: Gerechte Steuerpolitik statt unsozial streichen
Sehr geehrte/r Frau/Herr MdB,
demnächst entscheiden Sie im Bundestag über das Sparpaket der Regierung. Ich halte die Sparbeschlüsse für sozial völlig unausgewogen, denn sie belasten einseitig Erwerbslose, Geringverdienende und Familien. Spitzenverdiener/innen und Vermögende werden verschont, obwohl sie vor der Wirtschaftskrise von riskanten Geschäften an den Finanzmärkten überproportional profitiert haben. Diese Politik steigert soziale Ungleichheit und untergräbt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Als Abgeordnete/n aus meinem Wahlkreis fordere ich Sie auf: Setzen Sie sich im Bundestag dafür ein, dass die angekündigten Kürzungen im Sozialressort nicht umgesetzt werden. Gestalten Sie stattdessen eine gerechte Steuerpolitik. Beteiligen Sie auch Spitzenverdiener/innen und Vermögende über einen höheren Spitzensteuersatz und eine Vermögensteuer an der Haushaltssanierung. Auch die Verursacher/innen der Krise müssen über eine wirksame Finanztransaktionssteuer deutlich stärker als geplant an den Kosten beteiligt werden!
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
In seinem sechsseitigen Antwortschreiben nahm Brähmig bereits Stellung und schrieb unter anderem:
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Schulden heute bedeuten Zins- und Tilgungslasten morgen. Daher sind stabile öffentliche Finanzen der Grundpfeiler einer nachhaltigen Generationengerechtigkeit. Damit wird der demographischen Entwicklung politisch Rechnung getragen. Anfang Juni hat die Bundesregierung die Eckpunkte eines Zukunftspaketes mit einem Volumen von rund 80,2 Mrd. € für die Jahre 2011 bis 2014 verabschiedet. Die Maßnahmen betreffen weitgehend den Bereich der Ausgabenseite, sind also echte Einsparungen. Damit unterscheidet sich das Zukunftspaket fundamental von früheren Konsolidierungsbemühungen.
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Die Eckpunkte zum Zukunftspaket werden zurzeit regierungsintern abgestimmt und in einen Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes einfließen. Da zurzeit die Einzelheiten noch innerhalb der Bundesregierung verhandelt werden, bitte ich um Verständnis, dass ich dazu mich nicht im Detail äußern kann. Der Gesetzentwurf wurde am 1. September 2010 im Kabinett beschlossen. Erst jetzt beginnen die Beratungen im Bundestag und in seinen Ausschüssen. Im Rahmen dieser Beratungen prüfen wir den Entwurf sehr intensiv, um – soweit notwendig – auch Änderungen durchzuführen. Es ist aber verfrüht, hier schon Aussagen machen zu wollen.
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Was die von Ihnen ebenfalls angesprochen Steuerpolitik anbelangt, so bitte ich zu bedenken, dass das Steuerrecht auch ein wichtiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb um Unternehmensansiedlungen und Investitionen ist. Dies trägt zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Das Wirtschaftswachstum wird daher maßgeblich von diesem Politikfeld beeinflusst. Die aktuell positive wirtschaftliche Entwicklung ist denn auch ein Beleg dafür, dass attraktive steuerliche Rahmenbedingungen eine wichtige Voraussetzung für mehr Wachstum und Beschäftigung sind. Dabei sichert die progressive Einkommensbesteuerung auch den sozialen Ausgleich. Starke Schultern tragen schon heute deutlich mehr als schwache. Eindrucksvoll kann man dies den amtlichen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes entnehmen: Das oberste Drittel der Steuerpflichtigen trägt bereits heute rund 80 Prozent der Einkommensteuer. Reiche lässt der Fiskus also schon heute keineswegs ungeschoren. Nach Angaben des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wurden 2005 schätzungsweise 29 Millionen Steuerpflichtige zur Einkommenssteuer veranlagt, 14,8 Millionen Ledige und 14,2 Millionen zusammen veranlagte Ehepaare. Im “oberen Bereich der Einkommenspyramide” ergibt sich dabei laut DIW dabei eine “beträchtliche Konzentration” der festgesetzten Einkommenssteuer. Demnach entfallen auf zehn Prozent der Steuerpflichtigen mit den höchsten Einkommen über 50 Prozent des Einkommenssteuer-Aufkommens. Auf die ein Prozent Einkommensreichsten entfallen sogar gut 20 Prozent des Aufkommens und auf die 0,1 Prozent Reichsten – laut DIW 29. 000 Steuerpflichtige – noch 8,3 Prozent des Aufkommens. Das untere Drittel der Einkommen, Haushalte, die wenig oder gar nicht verdienen, erhalten dagegen fast 60 Prozent aller Transferleistungen (Rente, Sozialhilfe, Kindergeld, BAföG, sonstige Staatshilfen), zahlen aber nur rund 5 Prozent der Steuern und Sozialabgaben. Eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes würde dies noch verschärfen.
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In diesem Zusammenhang muss ich auch darauf aufmerksam machen, dass der deutsche Staat mittlerweile mit 1,73 Billionen Euro verschuldet ist, obwohl die Leistungen des Staates nach Ihrer Ansicht immer schlechter werden. Wir stecken also in dem Dilemma, dass die Ansprüche an den Staat immer größer werden, obwohl unser Staat schon völlig über seine Verhältnisse lebt. Während frühere Generationen noch singen konnten „Wir versaufen unserer Oma ihr klein Häuschen“, hat die jetzt lebende Generation sich entschieden, nicht mehr ausreichend Vorsorge für die Zukunft unseres Landes und der nachkommenden Generation zu betreiben und will im Hier und Jetzt leben. Wir alle verjubeln das Geld anderer Generationen als ob es kein Morgen gibt und jede Interessengruppe sagt aus voller Inbrunst: „Lasst uns sparen, aber bitte nicht bei mir.“ Auch wir Deutschen haben in den letzten Jahrzehnten deutlich über unsere Verhältnisse gelebt und sicherlich trifft die Politik dabei eine große Verantwortung. Aber selbst mit der Wiedereinführung der Vermögenssteuer, einer deutlichen Erhöhung der Einkommenssteuer bzw. der Einführung einer Reichensteuer und einer Finanzmarkttransaktionsteuer werden wir die Schulden der Bundesrepublik Deutschland nicht so schnell in den Griff bekommen. Seriöse Berechnungen gehen davon aus, dass die Wiedereinführung, Einführung, bzw. Erhöhung der vier genannten Steuern nicht mehr als 25 Milliarden Euro jährlich einbringen. Die Nettokreditaufnahme für Deutschland liegt aber im Jahr 2010 bei 80, 2 Milliarden Euro. Wie wollen wir also ohne entsprechende Sparmaßnahmen jemals aus der Schuldenfalle rauskommen?
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Neben dem Antwortschreiben möchte Klaus Brähmig MdB aber als gewählter Volksvertreter für den Deutschen Bundestag auch den direkten Kontakt herstellen und wird daher am
Montag, den 11. Oktober 2010, 19.00 Uhr,
im Bootshaus Pirna “Zur Dolle”,
An der Elbe 11, 01796 Pirna,
für alle Bürgerinnen und Bürger als Gesprächs- und Diskussionspartner zur Verfügung stehen.