Stadtrat sein lohnt sich
Ab und zu hört man in Dippoldiswalde, dass die Stadträte doch nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. JA, dem ist so.
Warum man sich jetzt für seine Stadt schämen sollte, welche Ignoranz gegenüber einer plausiblen Argumentation im Stadtrat gezeigt wird und was dies mit dem Obertorplatz zu tun hat, können Sie hier nachlesen – oder es eben auch lassen.

Thema verfehlt, Vorgaben missachtet – Auftrag erhalten. Das Büro von Stadtrat Gunter Ullrich erhält den Auftrag zur „Neugestaltung“ des Obertorplatzes und keiner weiß, warum.
Die Stadt Dippoldiswalde möchte die nächsten 3 Jahre gern dazu nutzen, um mit den voraussichtlich letzten Fördermitteln für unsere Region den Obertorplatz neu zu gestalten. Nach dem Niedertorplatz an der Reichskrone und dem Karl-Marx-Platz an der sanierten „Pforte“ ist das Gebiet vor dem alten oberen Stadttor der letzte unsanierte Platz im/am historischen Stadtkern.
Gemeinsam mit der STEG Stadtentwicklungs-GmbH, die Dippoldiswalde schon seit vielen Jahren betreut, erarbeitete das Bauamt einen Kriterienkatalog, der auflistet, was für den Obertorplatz wichtig ist. Dazu zählte u.a.:
- die Qualität der städtebaulichen Gesamtkonzeption – eine städtebauliche Grundbetrachtung, der Anschluss der Innenstadt an den neuen Platz, die Einbeziehung des „Grünen Ringes“ an der Grenze der historischen Altstadt,
- die Belebung des Platzes und der Innenstadt – dies beinhaltet Erreichbarkeit, Funktionalität, Verhältnis des Platzes zum tangierenden Verkehr, Verbesserung der Verkehrsverhältnisse, Anbindung an vorhandene Gebäude,
- eine Gestaltungskonzeption für den Platz, um ihm eine eigene Identität/ etwas Unverwechselbares zu verleihen – hier wurde Wert auf die eingesetzten Materialien sowie die angedachte Bepflanzung gelegt,
- eine Erhöhung der Aufenthaltsqualität, welche in Form einer Multifunktionalität, der Anzahl und Anordnung von Pkw-Stellplätzen sowie der ausgewählten Beleuchtung erreicht werden kann.
Was man schon hier erkennen kann: die Mitarbeiter der STEG wissen wovon sie reden. Zu den Leistungen des Unternehmens gehören u.a. Stadtentwicklungskonzepte, Projektsteuerung, Projektentwicklung, Finanzierungsmanagement, Städtebauliche Planungen, Stadtumbau, Städtebauliche Erneuerung, Baulandentwicklung, Konversion und Revitalisierung von Brachen sowie Stadt- und Standortmarketing.
Eine weitere wichtige Vorgabe für die Planer: In den 90er Jahren war man in der Stadt so selten dämlich und verkaufte mit dem alten Buswartehäuschen nebst Toilette auch ein Grundstück mitten auf dem Platz. Aus diesem Häuschen entwickelte sich mit viel Fleiß und Arbeit der Familie Triller der heutige Obertorgrill, der allerdings der Platzgestaltung nun im Wege steht. Also sollten die Planer einen Stufenplan entwickeln, wie man den Platz mit dem „O-grill“ umgestaltet. Später, wenn der Imbiss vielleicht in ein nahes Wohnhaus umgesiedelt ist, sollte der Obertorplatz auch ohne den Grill ein würdiges Entree für unsere Stadt sein.
Als Kostenobergrenze wurde den Büros eine Summe von 750.000 Euro genannt. Da man hier mit einer 80%igen Förderung rechnet, bedeutet dies eine Ausgabe von ca. 150 T€ für die Stadt. Das Geld steht definitiv zur Verfügung.
Mit diesem Kriterienkatalog als Grundlage beauftragte man die folgenden vier Landschaftsplanungs- und Architekturbüros mit dem Ziel, einen entsprechenden Gestaltungsvorschlag für den Platz zu erhalten:
- Landschaftsarchitektur Frase, Dresden
- Planungsbüro Uta Schneider, Dresden
- Ruhsam & Ullrich Ingenieur- und Architekturbüro, Dippoldiswalde
- Toscano GmbH Engineering & Consulting, Dippoldiswalde.
Alle Büros sind in Dippoldiswalde einschlägig bekannt und haben schon des Öfteren für die Stadt gearbeitet.
Zur Bewertung der Gestaltungsvorschläge wurde eine hochkarätige Kommission einberufen:
- Frau Prof. Becker, Architektin für Stadtplanung/ Professur in Zwickau
- Herr Dr. Pinkwart, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen
- Herr Prof. Scherzer, Professur an der HTW Dresden
- Frau Dr. Hemker, Landesamt für Archäologie
- Herr Kerndt, Oberbürgermeister von Dippoldiswalde
- Herr May, Dipl.-Ing. Landschaftsarchitekt Dresden
- Herr Kröhnert, Bauamtsleiter Dippoldiswalde
- Herr Triller, „Obertorgrill“ und Anwohner
- Herr Hillig, Handels- und Gewerbeverein
- Herr Menzel, STEG
- Herr Kohl, Bauamt Dippoldiswalde
Während die letzten vier auf dieser Liste lediglich beratend agierten, waren die übrigen Personen in dieser Jury (ab-)stimmberechtigt.
Um zusätzlich eine unvoreingenommene Bewertung zu erhalten, wurden die Gestaltungsvorschläge anonymisiert vorgestellt. Das Ergebnis war ziemlich deutlich: Zwei Arbeiten kamen nicht in die engere Wertung. Bei der Eröffnung der Präsentation im Rathaus wurde Prof. Scherzer recht deutlich: Die Büros hätten das Thema verfehlt, die Vorgaben nicht beachtet und nur aus Höflichkeit und Achtung vor der eingebrachten Arbeit wurden diese Gestaltungsvorschläge nicht schon im Vorfeld ausgeschlossen. Die Jury entschied dies sogar einstimmig!
Wie bereits berichtet, gab die Bewertungskommission eine deutliche Empfehlung. Mit geringen Modifikationen hätte das Büro Uta Schneider „den Platz als kompakten Platz vor den Toren der Stadt“ am besten verstanden.
Für den Vorschlag des Büros Ruhsam und Ullrich gab es wenig positive Worte, eher unverhältnismäßig harsche Kritik. „… die Situation des „Platzes vor dem Tor“ ist aber wegen der zu kleinteiligen Gestaltung der Ecke Herrengasse/ Brauhofstraße nicht angemessen herausgearbeitet. (…) Eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse ist jedoch wegen der weitgehenden Beibehaltung der Flächen des fahrenden und ruhenden Verkehrs nicht grundsätzlich erkennbar. Die Dominanz des Verkehrs schränkt die Möglichkeiten der Belebung des Platzes ein. (…) Elemente von historischem Interesse … sind kaum erlebbar. (…) Potenziale zur Aufwertung der umgebenden Bebauung durch nutzbare Freiräume werden wegen der gebäudenahen Anordnung von Fahrbahnen und Stellplätzen nicht genutzt. (…) Durch die mit Baumsetzung und bauliche Abschirmung noch unterstrichene Dominanz der Hauptstraßenführung wird die für den Platz charakteristische Wirkung der Gebäudefassaden geschmälert.“
Sowohl bei der Eröffnung der Ausstellung im Rathaus Anfang Januar als auch bei der gestrigen Stadtratssitzung vermochte es Gunter Ullrich nicht, seine Gedanken zur „Neugestaltung“ des Obertorplatzes überzeugend darzustellen. Hier waren ihm die Mitbewerber fachlich und sprachlich überlegen. Nach Auffassung der Experten hatten sie ja auch die deutlich besseren Arbeiten abgeliefert.
Um es noch einmal in persönlichen Worten zu beschreiben, am Platz ändert sich fast nichts. Straßenführung und Parkplätze bleiben fast unverändert erhalten. Dazwischen noch ein paar historische Elemente – fertig. Kosten: knapp 750 T€. Ach ja, die alten verrosteten Eisengeländer werden durch neue Poller ersetzt.
Warum 15 Stadträte die Planung ihres Kollegen trotzdem auf Platz 1 setzten? Frau Prof. Becker, die im Namen der Jury vorab noch einmal die Bewertung erläuterte, entfuhr nur ein fassungsloses „Das kann nicht sein!“
Februar 11th, 2011 at 10:30
Das sieht man schon lange, das es immer wieder zu solchen Auftragsvergaben, der in den Stadtrat sitzenden Firmen gibt oder gab. Darum liegt auch diesen Herren der schöne Platz auch so am Herzen und hat nicht s mehr mit zum Wohle der Stadt zu tun. Ich habe nichts dagegen das die Aufträge in unsere Gegend vergeben werden, was auch gut für die Finanzen ist. Aber es gibt noch mehr Firmen die solche Aufträge erledigen können. Dadurch das die Herren vom Stadtrat immer als erstes die Vorgaben der Stadt kennen, können sie auch ihre Angebote so erstellen, wie man sie braucht. In einem anderen Land könnte man dies als M….. bezeichnen.
Februar 11th, 2011 at 10:35
Nachtrag: Alle Stadräte die eine Firma im privaten haben , sollten von der Auftragslage der Stadt nicht provitieren dürfen. Sie sollten in Zukunft davon Ausgeschlossen werden! Mal sehen wer dann noch im Stadtrat ist!
Februar 11th, 2011 at 14:49
Ich bin schockiert! Ich kann gut verstehen, wenn ortsansässige Firmen mit Aufträgen der Stadt “versorgt” werden. Das Geld bleibt in der Stadt, Wertschöpfung wird direkt am Ort erbracht und einzelnen oder mehreren Menschen wird der Arbeitsplatz am Ort gesichert. Aber das ist echt die Höhe. Da wird schon ein Vorhaben ausgeschrieben und mehrere Firmen beauftragt ein Konzept zu erstellen. Dann wird durch eine mehr oder weniger unabhängige Kommission eine eindeutige Wertung und Handlungsempfehlung abgegeben. Und schließlich ist dies alles Schall und Rauch und der Vorschlag, der mit “Verbesserung… nicht grundsätzlich erkennbar” oder “…überfrachtet” oder “…nicht schlüssig begründet,…” wird von unseren Stadtoberen zum Sieger erklärt und erhält den Zuschlag 750000€ zu verdienen.
Ich möchte an dieser Stelle wirklich einmal fragen, warum man denn überhaupt solch eine Kommission eingesetzt hat – offensichtlich ist diese eh nur Makulatur gewesen? Hat die Stadt für die Kommission auch Geld bezahlt?
Wiegen die Vorteile einer Vergabe des Auftrags an ein lokales Unternehmen (Arbeitsplatzsicherung, evtl. Gewerbesteuereinnahmen,…) die offensichtlichen Nachteile (wie die Kommission geschildert) auf?
Da die Entscheidung der Stadträte für mich absolut nicht nachvollziehbar ist wäre es sehr angenehm, wenn hier Stadtrat X oder Stadträtin Y seine/ ihre Beweggründe darlegen könnte, damit ich (vielleicht auch der eine oder andere) die Entscheidung besser nachvollziehen kann.
Wenn mir das jemand klar machen kann, dann wäre meine Entrüstung glücklicherweise unberechtigt gewesen und der Verdacht der Vorteilsnahme hätte sich völlig unbegründet in meine Gedanken geschlichen.
Februar 11th, 2011 at 15:44
Wer am Mittwoch selber mit dabei war und diese “Abstimmung” zugunsten des wohlverdienten Büros Ruhsam & Ullrich miterleben musste konnte sich als Dippser Bürger nach der Straßenausbau-Debatte für diesen Stadtrat als unsere gewählten Bürgervertreter gleich wieder in Grund und Boden schämen!!! Nix gegen Lokalpatriotismus aber das was Herr Ullrich als Präsentation und Bewerbung seines “Lösungsvorschlages” an die Öffentlichkeit abgeliefert hat war unter aller Kanone!! Das hätte ich als Nicht-”Architekt” besser hinbekommen!!
Diese parteiische Entscheidung für einen Stadtratskollegen gehört in der nächsten SR-Sitzung nochmal auf die Tagesordnung gesetzt! Welche Fraktion hat das Kreuz und beantragt diesen TOP “Obertorplatz”???
Übrigens, haben wir als Stadt und damit alle Bürger und Steuerzahler mit dem ungelösten massiven Problem “Parkplatzdeck am Busbahnhof” nicht noch ne offene Rechnung mit R&U ?????? Wer will das als Stadtrat verantworten??
Auf diese Fragen hätte ich gern mal Antworten von allen Fraktionen.
Februar 11th, 2011 at 15:49
Übrigens, die skandalösen Themen der letzten Stadtratssitzung scheinen doch jede Menge Dippser zu interessieren. Wir haben allein heute schon über 500 einzelne Zugriffe auf die Beiträge rund um die Sitzung. So was nenne ich mal “dringenden Informationsbedarf von unten”!!!
Und dafür steht bekanntlich die StattZeitung!!! Herzlichen Glückwunsch und wir machen weiter so….
Februar 11th, 2011 at 17:21
Eigenlob stinkt!
Februar 11th, 2011 at 19:39
Frau Prof. Dorothea Becker hat die Professur nicht in Zittau, sondern an der Westsächsische Hochschule Zwickau.
Februar 11th, 2011 at 21:10
@Grützner
Danke für den Hinweis. Da habe ich wohl beim Abschreiben der Beschlussvorlage sehr geträumt.
Februar 16th, 2011 at 12:11
Nun was soll man sagen, es ist menschlich, dass unterschiedliche Interessen verbunden werden. Das Mandat eines Stadtrates ist ehrenamtlich und verspricht eine geringe Aufwandsentschädigung. Da bleibt es nicht aus, dass mitunter eigene Interessen und Interessen des Allgemeinwohls vermischt werden.
Gleichwohl sind die Vorgänge in der Stadt Dippoldiswalde und im Stadtrat Dippoldiswalde in einem Ausmaß anstössig, dass man sich als Bürger schon fragen kann, ob hier einzelne geschäftliche Interessen von Stadträten das Abstimmungsverhalten beeinflussen. Letztendlich muss sich aber jeder einzelne Bürger fragen, der dieses Verhalten kritisiert, ob er seinen eigenen Einfluss als Bürger der Stadt genug geltend macht.
Was wäre beispielsweise, wenn bei jeder Stadtratsitzung der Ratssaal so voll wäre, wie bei der Abstimmung über die Straßenbau-Satzung ? Dann wären die Stadträte in ihrer Gesamtheit einer wirksameren öffentlichen Kontrolle ausgesetzt, und müssten besser die Interessen des Allgemeinwohls berücksichtigen. Stattdessen ist zu verzeichnen, das immer einige wenige Bürger, eigentlich fast im die gleichen Personen, die Ratssitzungen verfolgen.
Es ist aus meiner Sicht wünschenswert, dass die Bürger vermehrt die Interessen des Allgemeinwohls in die Hand nehmen. Die derzeit bestimmende freie Wählervereinigung berücksichtigt aus meiner Sicht nicht ausreichend dieses Allgemeinwohl. Vielleicht ist es auch erforderlich, bei der nächsten Wahl eine weitere Interessengruppierung an den Start zu schicken, die ohne Verflechtungen und Verfilzungen Interessen des Allgemeinwohls vertritt
März 14th, 2011 at 20:56
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