Demokratie obskur
Die geplante Sanierung des Obertorplatzes nimmt immer fragwürdigere Formen an. Aber der Reihe nach. Wer sich noch einmal informieren möchte:
- hier berichtete die StattZeitung über die Präsentation der Planungsvorschläge
- hier berichtete die StattZeitung über die überraschende Vergabe der Planungsleistungen an das Büro Ruhsam u. Ullrich
- hier informierten wir, dass sich die Diakonie vom „Roten Hirsch“ trennen will
- hier bahnten sich die kommenden Probleme an
Was folgte?In der letzten Stadtratssitzung vor der Sommerpause ergrifft Stadtrat Michael Triller das Wort und hielt eine flammende Rede zur geplanten Umgestaltung des Platzes. Dabei sprach er sich noch einmal unmissverständlich für die Realisierung des Planungsvorschlages Ruhsam u.Ullrich aus. Bei den Ausführungen wurde deutlich, dass Triller als Eigentümer des Obertorgrills nahezu keine Veränderung an der derzeitigen Platzgestaltung wünscht. Wiederholt sprach er sich dagegen aus, den Platz mit Bäumen oder anderweitig zu gestalten. „Was wir brauchen, sind Parkplätze!“ Dabei verwies er nicht ganz zu Unrecht auf die teilweise chaotischen Straßenbedingungen im letzten Winter, als der Obertorplatz, bedingt durch die Schneemassen in der Innenstadt, eine (letzte?) Alternative für Autofahrer war. Falls es Änderungen am jetzigen Platzkonzept gäbe, droht der amtierende Stadtrat mit der Macht und der Einflussnahme des Handels- und Gewerbeverbandes, „der sich dies nicht bieten lassen wird!“ Einmal in Rage verlangte Triller dann noch, dass man bitteschön auch die Entscheidung der Stadträte und somit die Demokratie achten solle.
Auf Nachfrage der StattZeitung bestätigte Oberbürgermeister Ralf Kerndt, dass Stadtrat Michael Triller als Eigentümer des Obertorgrills und zugleich Pächter des gesamten Platzes eigentlich in der Angelegenheit befangen ist. Laut Sächsischer Gemeindeordnung dürfen befangene Stadträte weder an der Diskussion noch an der Beschlussfassung dieser Tagesordnungspunkte teilnehmen. Aber, so der Oberbürgermeister wörtlich:, dürfe Triller außerhalb der Tagesordnung durchaus seine Meinung kundtun.
Im Rahmen der Kommentare zu den Themen der Dippser StattZeitung beteiligte sich auch CDU-Fraktionsvorsitzender Karl-Heinz Ukena an der Diskussion:
Wer sich einmal die Mühe gemacht hat und sich die einzelnen Entwürfe angeschaut hat, wird feststellen, dass 3 Entwürfe schlicht davon ausgegangen sind, dass der Obertorgrill nach Beendigung der Baumaßnahme nicht mehr auf dem Platz steht.
Auf eine Erwiderung der StattZeitung, dass dieser dargestellte Sachverhalt falsch ist, reagierte K.-H. Ukena leider nicht. Alle vier Entwürfe sind davon ausgegangen, dass der Obertorgrill vorerst an seinem Standort verbleibt und das Unternehmen vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt an die Peripherie des Platzes umziehen könnte, damit der Platz wieder komplett als Einheit betrachtet werden kann.
Stattdessen verlangte auch Ukena, dass die Bürger (als auch die StattZeitung) die mehrheitliche Entscheidung des Stadtrates zum Obertorplatz zu respektieren hätten. Allerdings kritisierte er zugleich die Verwaltung, die anscheinend die Entwürfe vorab nicht auf die Förderfähigkeit hin bewertet hat.
Fakt ist, dass der Bürger/ Steuerzahler mal wieder einen Wettbewerb in mindestens 5-stelliger Höhe bezahlt hat, dessen Ergebnisse den Stadtvätern völlig egal waren. Mehr noch: Sowohl die Entscheidung für das Büro Ruhsam u. Ullrich als auch die Ausführungen von K.-H. Ukena beweisen, dass sich die Entscheider in unserer Stadt – die Stadträte -überhaupt nicht in den Sachfragen mit dem Thema Obertorplatz auseinandergesetzt haben.
Gleiches muss man leider der Sächsischen Zeitung attestieren. Vor wenigen Tagen berichtete man hier, dass in erster Linie baurechtliche Probleme beim Erwerb und beim Abriss der ehemaligen Gaststätte „Roter Hirsch“ für die nun eintretende Verzögerung der Bauarbeiten verantwortlich seien. Dies zumindest muss Oberbürgermeister Ralf Kerndt den Journalisten des selbsternannten Qualitätsmediums in die Notizblöcke diktiert haben. Dieser Fakt spielte aber sowohl bei der Ausschreibung zur Gestaltung des Obertorplatzes als auch bei der Vergabe des Auftrages keinerlei Rolle.
Fest steht, dass sich die in der Jury auch involvierten Denkmalschützer und Fachplaner brüskiert fühlen. Und wie schon bei der Bewertung der Wettbewerbsvorschläge zur Neugestaltung des Obertorplatzes lehnen sie auch jetzt den Entwurf von Ruhsam u. Ullrich detailliert und begründet ab. Fachlich, ästhetisch und auch finanziell einfach ein Desaster, so könnte man die Einschätzung der vorgelegten Planung kurz zusammenfassen.
Nun will die Stadtverwaltung, und dies berichtete auch die Sächsische Zeitung, die Landtagsvizepräsidentin Andrea Dombois bemühen, um den Klüngel und die Vetternwirtschaft doch noch erfolgreich durchsetzen zu können. Welch eine Peinlichkeit für die Verwaltung!
Bleibt zum Abschluss noch die Frage, warum Oberbürgermeister Ralf Kerndt hier so schwach agiert? Diese Antwort kann die StattZeitung leider nicht geben. Fest steht aber, dass Gunter Ullrich als Chef der Freien Wähler Ralf Kerndt im Jahr 2004 zum Bürgermeisterkandidaten machte und somit zum wohl bestbezahltesten Job seines Lebens verhalf. Da sollte doch etwas Dankbarkeit nichts Schlimmes sein!