Auch in Dippoldiswalde soll die kapitalistische Abzocke gegenüber den Bürgern wüten
von Gottfried Herold
Bei einer Bergwanderung im Berchtesgadener Land auf dem Gipfelplateau des Hochstaufen traf ich einen Bürger aus Bad Reichenhall – offensichtlich SPD-Mitglied – mit dem ich in ein interessantes Gespräch kam. Wir stellten uns vor. Ich sagte, dass ich 20 km südlich von Dresden in Dippoldiswalde wohne. Er meinte: „Nehmen sie es mir nicht übel, ihr Sachsen seid in vieler Hinsicht intelligente Menschen, aber sehr konservativ und politische Analphabeten, die sich kaum zur Wehr setzen, wenn ihnen Unrecht geschieht.“ Recht hat er! Oder doch nicht?
Ist Sachsen auf den Weg zu einer Diktatur?
Sachsen hat sich ein erzkonservatives Kommunales Abgabengesetz geschaffen, dessen Inhalt den meisten Bürgerinnen und Bürgern unbekannt ist. Auf dessen Grundlage starten jetzt willige „Demokraten“ eine Attacke auf die Geldbeutel sächsischer Haus- und Grundstückbesitzer sowie deren Mieter und Pächter. Übrigens müsste man den gegenwärtigen Stand nach „bürgerliche Demokratie“ wie folgt definieren: Es ist eine gnadenlose Diktatur der Reichen über die wenig Wohlhabenden mit dem Ziel, ein rigoroses Profitstreben zu verwirklichen.
Eine solche Abzocke, die sich jetzt über das sonst so schöne sächsische Land ausgebreitet hat, gab es weder zu Zeiten der Monarchie, noch während der Weimarer Republik, auch nicht in der DDR.

Diese Luftaufnahme zeigt das Sanierungsgebiet, das erwählt wurde, den Bürgerinnen und Bürgern für eine nicht vorhandene "Wertsteigerung" tief in die Tasche zu greifen. Wer hat das Pech, Betroffener zu sein? (Luftaufnahme: Gottfried Herold)
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Wollen die Gesetzesautoren eine weitere Verarmung der sächsischen Bevölkerung?
Da werden Karten von Sanierungsgebieten in Städten und Gemeinden angefertigt und die in diesen Gebieten wohnenden Grundstücks- und Hausbesitzer verdonnert, eine ansehnliche Kommunalabgabe abzuführen, auch dann, wenn die Betreffenden niemals Fördermittel erhalten haben. Mieter und Pächter werden sicher in diesen Stadt- und Gemeindeteilen bald Preiserhöhungen zu spüren bekommen. Das in einer Zeit, in der man die Kosten für Energie, öffentlichen Verkehr, Kraftstoff, Lebensmittel, vielen Konsumgütern, Gebühren, Versicherungen usw. kräftig erhöht. Die inflationäre Tendenz steigt gegenwärtig. Nicht wenige werden gezwungen, ihre Immobilien und Grundstücke zu verkaufen oder Kredite aufzunehmen, um den schändlichen Forderungen des Abgabengesetzes gerecht zu werden. Wird die Zahlung verweigert, kommt der Gerichtsvollzieher ins Haus und klebt seinen Kuckuck. Es trifft auch die, die keine Fördermittel erhielten. Das ist Diktatur in reinster Form!

Nach dem katastrophalen Hochwasser 2002 wurde die Jahnturnhalle in Dippoldiswalde wieder aufwendig mit Steuermitteln saniert. Hier ein Bild von 2007. Kurze Zeit nach dieser Aufnahme zerstörte die Abrissbirne. Enorme Steuermittel wurden rücksichtslos verschwendet. Das führt keineswegs zu einer "Wertsteigerung" des Sanierungsgebietes. (Foto: Gottfried Herold)
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Ist tatsächlich eine Wertsteigerung der einzelnen Häuser und Grundstücke durch die Stadtsanierung eingetreten?
Wie begründet man dieses zutiefst bürgerfeindliche Gesetz? Durch Sanierungsmaßnahmen in den betreffenden Stadt- bzw. Gemeindeteilen würde die Qualität und damit der Wert der baulichen Anlagen und Grundstücke bedeutend steigern. Den Überschuss gegenüber den ursprünglichen Wert habe man deshalb an den Staat abzuführen. Das ist Unsinn! Kein Gebäude auf der Dippoldiswalder Herrengasse wird teurer, wenn das Dach der Stadtkirche neu gedeckt wird. Die vier Brunnen auf dem Dippoldiswalder Markt bringen keine Wertsteigerung auf der Wassergasse. Wie will man diese eigentlich ermitteln? Wieso sollen die Besitzer der Häuser in der Rosengasse dafür aufkommen, wenn man enorme Fördermittel für die Sanierung der 2002 durch Hochwasser beschädigten ehemaligen Jahnturnhalle verbrauchte, um dann kurze Zeit darauf diese Sportstätte kostspielig wegzureißen, weil ein blödsinniges Gesetz forderte, dass die Anlage am Neubaugebiet Rabenauer Straße nur genehmigt werde, wenn die Jahnturnhalle nicht mehr vorhanden ist. Die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule am Karl-Marx-Platz müssen nun den weiten Weg zurücklegen, wenn sie Sportunterricht haben. Ist das eine Wertsteigerung für die Bauten und Flächen der Innenstadt? Denken wir an die sinnlosen Investitionen für das Arbeitsamt – jetzt umbenannt „Agentur für Arbeit“. Das Gebäude ist zur Zeit nicht genutzt. Denken wir an die Ruine der Parkfläche am Busbahnhof, die enorme Baukosten verursacht hat. Ist das eine Wertsteigerung für die Stadt?

Hoffen wir, dass Oberbürgermeister und Stadträte im Interesse ihrer Bürger handeln und die Abzocke verhindern. Damit wird die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland gewahrt. (Foto: Gottfried Herold)
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Gibt es Gerechtigkeit zwischen Zahlern im Saniergebiet und Nichtzahlern im Außenbereich?
Viele Bürgerinnen und Bürger haben auch kein Verständnis dafür, dass sie eine Abgabe leisten sollen, weil ihr Gebäude angeblich eine Wertsteigerung erfahren habe, während das nur wenige Meter daneben liegende Haus unbehelligt bleibt, weil es außerhalb einer willkürlich gefassten Grenze liegt, die das Sanierungsgebiet begrenzt. Wer hat diese Grenzen festgelegt? Schafft man dabei nicht Ärger und kräftige Missstimmung? Oder ist dieser Effekt gar gewollt? Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte!
Werden Bürgerrechte eingeschränkt bzw. liquidiert?
Wer hat mit den Einwohnern von Dippoldiswalde darüber gesprochen, dass er eines Tages für die Sanierungsmaßnahmen in der Stadt aufkommen muss? Mit welchem Recht greift man in den Geldbeutel der sowieso gebeutelten Dippoldiswalder, ohne vorher ihre Zustimmung einzuholen? Das ist Wegelagerei und wird nach geltendem Gesetz eigentlich bestraft – nicht aber in Sachsen.
Wie kommt es, dass der Besitzer einer Immobilie in der Großen Wassergasse eine fiktive und bürokratisch ermittelte Steigerung des Wertes seines Grundstückes abführen muss, derjenige an der Hospitalstraße aber nicht?

Es darf keinesfalls Nacht über Dippoldiswalde werden, indem politische Dummheiten in der schönen Stadt im Tal der roten Weißeritz riesigen Schaden anrichten. (Foto: Gottfried Herold)
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Ist eine „Wertsteigerung“ gerecht ermittelbar?
Übrigens ist der Begriff „Wertsteigerung“ eine vollkommen falsche und irreführende Bezeichnung in der Marktwirtschaft (kapitalistischen Wirtschaft). Angebot und Nachfrage sind hier wertbestimmend. Sie wechseln stark und sind abhängig von der jeweiligen Kaufkraft. Festliegende Schätzwerte gibt es nicht. Wie will man korrekt einen wirklichen Wert feststellen, um die abzuführende Summe tatsächlich und gerecht zu ermitteln? Aber man stellt sie in Rechnung!
Besteht Hoffnung auf demokratisches Handeln und Gerechtigkeit in Sachsen?
Wir bitten unseren Oberbürgermeister Ralf Kerndt und seine Ratsmitglieder, die Interessen der Betroffenen in Dippoldiswalde und deren Rechte, die durch das bürgerfeindliche Sächsische Kommunalabgabegesetz (oder wie es sonst genannt wird) verletzt werden, zu vertreten und zu wahren. Möglicherweise ist es notwendig, das Bundesverfassungsgericht und das EU-Parlament in Anspruch zu nehmen. Auch könnte Günther Jauch in einer seiner Sonntagssendungen im ARD sich dieser Problematik annehmen. Nach wie vor gibt es in Deutschland – auch in Sachsen – wirklich demokratische und humanistische Kräfte, die sich für das Wohl des Volkes einsetzen. Auf diese vertrauen wir!
Staatliche Einrichtungen, dazu gehören die Landesregierung und der Landtag, sind für die Bürger des Freistaates Sachsen da. Sie sind kein Mittel, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu forcieren! Das Abgabegesetz ist volksfeindlich und muss fallen! Andernfalls könnte der innere Frieden im Freistaat erheblichen Schaden nehmen.
- PS: Eine Bürgerversammlung zu dieser Thematik ist wahrscheinlich am 26. November 2012 in den „Parksälen“ Dippoldiswalde vorgesehen.