Bürgernähe?
Sehr geehrter Herr Kohl,
wie Sie wissen, befassen wir uns seit geraumer Zeit mit Nutzungsideen für den Dippser Bahnhof. Da wir in der Vergangenheit über unsere Bemühungen die Beteiligten und Interessierten informiert haben, werden wir dieses Schreiben ebenfalls über diesen Verteiler veröffentlichen.
Ich gebe zu, dass der Fortgang der Projektentwicklung schon einige Zeit in Anspruch genommen hat. Aber mit dem Hinweis, dass wir wochenlang auf Antworten auf verschiedene Anfragen oder Gesprächstermine warten mussten, dass verschiedene Aussagen nicht immer “belastbar“ waren, dass auch der Wiederaufbau der Kleinbahn bereits Jahre dauert, sehen wir unsere (lange) Planungszeit nicht als negativ an.
In der letzten Zeit häuften sich Informationen über geplante Bauvorhaben der Stadt Dippoldiswalde im Areal der Unterstadt von Dippoldiswalde, in unmittelbarer Nachbarschaft des Bahnhofs. So stellte beispielsweise das Dresdner Büro Uta Schneider eine Entwicklungskonzeption für den Bereich zwischen Bahnhof und Lohgerbermuseum vor. Im Nachhinein erfuhren wir von fast allen Grundstücksbesitzern in diesem Areal, dass sie nicht bei dieser Gedankenfindung einbezogen wurden.
Als in der Zeitung erstmals darüber berichtet wurde, dass die Straße „An der Kleinbahn“, die direkt vor dem Bahnhofsgebäude entlangführt, saniert und ausgebaut werden soll, vereinbarte ich bei Ihnen, Herr Kohl, einen Gesprächstermin zu meiner Information. Dies dürfte etwa Ende Mai gewesen sein. Leider versäumte ich es, eine entsprechende Gesprächsnotiz zu verfassen, ich verließ mich auf Ihre mündlichen Aussagen. Die Grundgedanken, Sie können hier gern widersprechen, waren folgende:
- Eine Nutzung für den Erdgeschossbereich des Bahnhofes zu finden, ist durchaus kein großes Problem. Zur Finanzierung des Projektes muss aufgrund des maroden Zustandes des gesamten Gebäudes auch der Bereich der oberen Geschosse betrachtet werden. Aufgrund von fehlenden Alternativen sehen wir derzeit eine weitere Nutzung dieser Etagen zu Wohnzwecken durchaus als möglich an. Und dadurch wird die Finanzierung (für jeden Eigentümer) äußerst schwierig.
Da bei einer Wohnungsnutzung schon auf der Kleinbahnseite ein nicht zu vermeidendes Lärmpotential besteht, irritierten uns die zwei neu vorgesehenen Busparkplätze auf der anderen Gebäudeseite. Hier schafft man zusätzlich eine potentielle neue Lärmquelle, die einer künftigen Nutzung des Bahnhofsgebäudes nicht dienlich sein wird. Hier spielt der spätere Investor/ Eigentümer erst einmal keine Rolle, da dies immer zutrifft.
Eine Vorstellung der Gedanken des Büros Schneider war, das genau gegenüber liegende Gebäude „An der Kleinbahn 1“ (charakterprägendes Aussehen und unbedingt erhaltenswert) zu einem Kaffee oder Restaurant zu entwickeln. Auch hier wäre die Einrichtung der von Ihnen geplanten Bushaltestelle durchaus mit dem Ende dieser Gedanken verbunden.
Sicher erscheinen zwei Stellplätze für eventuelle Reisebusse als kein Lärmpotential – wenn man die Pläne auf dem Papier betrachtet. Aber diese Reisebusse haben auch einmal Wartezeit hinzunehmen, im Winter wird der Motor laufen gelassen und das Einsteigen einer fröhlichen Reisegesellschaft kann durchaus auch schon einmal als äußerst störend empfunden werden.
Zur Vermeidung dieser potentiellen Probleme und als Lösungsansatz hatten wir vorgeschlagen, die Wartezone für die Busse in den Bereich des geplanten Parkplatzes (lediglich etwa 50m Entfernung!) zu verlegen. Keine Mehrkosten für die Stadt! - Zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität eines touristisch genutzten Parkplatzes (Hauptbestandteil der Planung des Büros Schneider) gehört aus unserer Sicht auch das Angebot von sanitären Einrichtungen.
Ich hatte Ihnen vorgeschlagen, eine Umnutzung der nun zum Abriss vorgesehenen Schuppen gegenüber dem Bahnhofsgebäude zu prüfen. Die vorhandene „Sandstein-Architektur“ sieht optisch gefälliger aus, als ein späterer Zweckbau. Zudem könnte hier ein Behinderten-WC geschaffen werden, wofür im Bahnhofsgebäude möglicher Weise der Platz nicht ausreicht. Als Kompensation könnte dann der Bahnhofsbetreiber die Pflege der Toiletten übernehmen.
Auf diese Art wären saubere Sanitäranlagen realisierbar, die auch geöffnet sein können, wenn das nahe Museum oder der Bahnhof geschlossen sind. Dieses zusätzliche aber notwendige Angebot könnte die Stadt ihren Gästen mit geringem Kostenaufwand bieten. - Hauptbestandteil des Konzeptes des Büros Schneider zur Entwicklung der Unterstadt von Dippoldiswalde ist eine neu zu schaffende Parkanlage als Verbindung zwischen dem Bahnhof und dem Museum.
Ein uns bekannter Architekt stellte dieses Konzept komplett infrage. Er stellte fest, dass Grünanlagen und Erholungsmöglichkeiten speziell im Umfeld von Dippoldiswalde ausreichend vorhanden sind. Zudem kostet nicht nur die Neuanlage bzw. der Bau dieser Fläche (viel) Geld, sondern auch die spätere Pflege wird für Dippoldiswalde ein großes Kostenproblem werden.
Er entwickelte daraufhin die Idee, entlang der Achse Bahnhof (bzw. geplanter Parkplatz) und Museum kleinteilige Gewerbeeinheiten entstehen zu lassen. Hier könnte Platz für Kunstgewerbe, altes (Schau-)Handwerk, eine Galerie oder Existenzgründer geschaffen werden. Aber auch der Steinmetz für den nahen Friedhof oder ein neuer Blumenhändler wären sicherlich für diese Ideen offen. Mit der Einbeziehung des alten Kreisbau-Geländes wären weitere Entwicklungsmöglichkeiten für das Areal gut vorstellbar.
Größter Vorteil dieser Gedanken: Die Investition würden Privatleute übernehmen. Spätere Folgekosten für die Stadt entstehen nicht. Bei einer positiven Entwicklung des Areals wäre im Gegenteil durchaus mit (Gewerbe-)Steuereinnahmen zu rechnen. - Da Sie, Herr Kohl diese Gedanken überraschend gut fanden und als interessant bezeichneten, wollten Sie zu einem runden Tisch einladen, an dem die derzeitigen Grundstücksbesitzer, der Ideengeber und auch wir beteiligt sein sollten. Inhalt sollte ein konzeptioneller Gedankenaustausch zu den vorgestellten und hier beschriebenen Anregungen sein.
Soweit die nachträgliche Zusammenfassung unseres Gespräches. Nun musste ich durch die Presse (Sächsische Zeitung vom 04.08.2010) erfahren, dass die Stadt keine dieser Anregungen übernommen hat, nicht das Gespräch mit Interessierten und Beteiligten sucht und einfach Tatsachen schafft.
Wir gehen davon aus, dass dieses einseitige und durchaus als arrogant zu betrachtende Vorgehen – letztendlich werden die Anlieger mit Sicherheit zusätzlich durch Straßenausbaugebühren finanziell belastet – nicht für die Entwicklung des gesamten Areals förderlich ist.
Inwieweit unsere bisherigen und Ihnen bekannten Ideen für die Nutzung des Bahnhofsgebäudes noch tragfähig bzw. realisierbar sind, vermögen wir zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr schwer abzuwägen. Das Handeln der Stadt im Sinne einer konstruktiven Zusammenarbeit und Partnerschaft müssen wir leider als unwürdig bezeichnen.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Frey