Gespräch zwischen St. Laurentius und Mutter Maria
Ich stehe in Dippoldiswalde auf dem Markt, unmittelbar vor dem Rathaus und tief versunken in die Betrachtung der wunderbaren Architektur.Ich freue mich darüber, dass alles so schön und gepflegt aussieht. Doch plötzlich, ich kann es kaum glauben, höre ich doch, wie jemand über mir sagt:
„Mutter Maria, schau mal nach unten, ich glaube, der Mann betrachtet uns. Hoffentlich sieht er uns nicht so genau an, denn ich schäme mich meines arg verschlissenen Gewandes und meines etwas verunstalteten Gesichtes wegen.“
Ich schaue genau hin und sehe auf der einen Ecke des Rathausgiebels den St. Laurentius und auf der gegenüber befindlichen Ecke die Mutter Maria, welche zu Laurentius hinüber sieht und sagt: „Ach St. Laurentius, mir geht es doch nicht viel besser! Bei allen Heiligen, eine kleine Auffrischung unserer Gewänder und etwas Pflege für Hände und Gesicht, insbesondere auch für mein Kind könnte ich schon vertragen.“ „Ja, wir haben es bestimmt nicht leicht, auf der einen Seite sollen wir als Schutzheilige für die Stadt Dippoldiswalde da sein, aber wie es uns geht, das kümmert die Stadtväter gar nicht.“ „Ach St. Laurentius, tröste Dich, schau doch mal zum ehemaligen Bergamt hinüber, da sieht es doch auch nicht besser aus.“ „Du hast recht, Mutter Maria, den auferstandenen Christus über dem Torbogen kann man auch nur noch ahnen. Na und das Wappenschild auf der rechten Seite ist ganz leer. Ich glaube, da war früher mal Schlegel und Eisen als Zeichen für den Bergbau drin. Das frühere Wappen von Dippoldiswalde auf der anderen Seite ist ja noch erkennbar. Aber schau Dir mal die beiden Herren, Kurfürst Johann Friedrich und Herzog Heinrich an.“ „Das stimmt, die beiden sind auch nicht mehr sicher auf ihrem Platz. Die Torsäulen haben ja kaum noch Bindung mit dem Mauerwerk.“ „Also ich würde sagen, den beiden geht es noch schlechter als uns. Wir haben ja wenigstens immer noch einen einigermaßen sicheren Standort.“ „Trotzdem, wenn die Stadt so großen Wert auf die historische Bedeutung bestimmter Bauwerke legt, und das haben sie ja dokumentiert durch das Anbringen von kleinen Glastafeln, wie ich gesehen habe.“ „Ja, das stimmt, bei uns am Rathaus ist auch so eine Tafel und am Maltitzschen Bergamt auch.“ “ Auf den Tafeln wird auf die Bedeutung der Gebäude hingewiesen. Aber man kann doch nicht mit diesen Glastafeln und den darauf befindlichen Erklärungen allein etwas für den Erhalt der historischen Gebäude tun. Da muss schon mal was passieren, damit diese Häuser auch weiterhin schön und beachtenswert bleiben.“ “ Ob die Ratsherren und -Damen sich ihrer großen Verantwortung bewusst sind?“ „Ich denke schon, denn schließlich stehen ja einige dieser Häuser im Stadtkern unter Denkmalschutz.“ Nachdem ich mir diese Unterhaltung angehört habe, bin ich natürlich erst recht neugierig und betrachte die Bauwerke rund um den Markt besonders aufmerksam. Ich finde eigentlich die Worte der Beiden bestätigt. Sowohl Mutter Maria und St. Laurentius als auch das Rundbogenportal aus der Renaissance am Maltitzschen Bergamt zeigen erhebliche Schäden, die eigentlich schnellstens beseitigt werden sollten, um Schlimmeres zu verhüten. Aber auch der Torbogen zwischen Rathaus und Apotheke, der ursprünglich am Schulzschen Haus gewesen war, dem heutigen Polizeirevier, wurde mit Sicherheit nicht gerade fachmännisch versetzt. Zumindest war er vor seinem Einbau nicht ordentlich restauriert worden.
Diese Unterhaltung zwischen Mutter Maria und St. Laurentius sollte dem Rat der Stadt zu denken geben. Mir persönlich hat sie die Augen geöffnet für das, was in unserer Stadt unbedingt erhaltenswert ist.
Mitgehört und aufgeschrieben von
Karl-Heinz Sobierajski