Lichterweihnacht 2010
Von Dietrich Papsch
Nun strahlen sie wieder, die Weihnachtsbäume und Weihnachtsmärkte in den Städten, die Pyramiden in den Dörfern, all die Lichterketten und Schwibbögen in den Fenstern und Stuben. Sie künden in der Adventszeit vom Fest der bevorstehenden Weihnacht. Mit dem rechtzeitig zum 1. Advent gefallenen Schnee begehen das Osterzgebirge und seine Menschen die 5. Jahreszeit, für viele von uns die schönste im Jahr. In der frühen Dunkelheit an den Tagen des Dezember geben die Lichter uns Menschen Hoffnung auf das bevorstehende Fest des Friedens und der Liebe. Diese wunderbare Zeit gibt uns aber auch Gelegenheit zu Besinnung, innerer Einkehr und Nachdenken über unser Leben. Je intensiver wir dies tun, um so absurder erscheinen Diskussionen um Ladenöffnungen an den Adventssonntagen, Kommerzialisierung der Adventszeit und das uns im Zeitalter der Globalisierung abhanden gekommene Zeitgefühl. „Keine Zeit“, ist zum geflügelten Wort geworden. Wir hasten durch die Zeit.
Besinnung und innere Einkehr bedeuten, sich mit dem stärker auseinander zu setzen, was uns treibt, was wir tun – schlichtweg mit unserer Lebensweise. Gehen wir ernsthaft und kritisch mit uns selbst daran und stellen diese auf den Prüfstand, spüren wir plötzlich etwas ganz Einfaches: Weniger kann mehr sein, ein Mehr an Entschleunigung, ein Mehr an Gesundheit, Wohlbefinden und Glück. Das dient nicht nur uns, sondern auch Natur und Umwelt und letztlich auch den Menschen im Süden unseres Planeten, auf deren Kosten wir mit unserem ökologischen Fußabdruck in den reichen Industrieländern des Nordens leben, vor allem aber unseren Nachfahren, von denen wir die Erde nur auf Zeit geborgt haben. Mit der Wachstumsideologie in unserer Wegwerfgesellschaft, unserem dauernden Streben nach mehr Konsum, unserem grenzenlosen Automobilismus und unserem zügellosen Umgang mit den natürlichen Ressourcen entziehen wir uns immer mehr unsere Existenzgrundlage auf dieser Erde. Dazu gehört vor allem unsere Energieverschwendung. Nun ist die Lichterweihnacht bei weitem nicht das Thema, an dem ich die Verschwendung festmachen will. Wir haben im Schellerhauer Haus auch die beleuchteten Schwibbögen in den Fenstern und seit 1. Advent den Lichterbaum im Garten und finden dies wunderbar.
Aber nachdenken darüber, wo der Strom herkommt, wie wir mit diesem umgehen und wo er zukünftig herkommen soll, sollten wir doch schon. Auch bei uns in der Region kommt dieser üblicherweise aus der Steckdose. Zumeist ist es Kohlestrom aus den Kohlemeilern von Vattenfall in der Lausitz. Diese heizen jedoch wie keine andere Energieform das Klima auf. Die Folgen davon haben auch wir Sachsen in den letzten Jahren durch Hochwasser-, bisher nie gekannte Starkniederschläge und Tornados zu spüren bekommen. Wir vom Energie-Tisch Altenberg, ringen nicht gerade deshalb seit 10 Jahren um eine Energiewende im Osterzgebirge hin zu den Erneuerbaren.
Diese sind wie überall in Deutschland, Europa und in vielen Teilen der Welt auf dem Vormarsch. Dafür ausschlaggebend war in unserem Land das im Jahr 2000 novellierte Erneuerbare Energien-Gesetz der Bundesregierung. Mit diesem wurde die Demokratisierung der Energiewirtschaft eingeleitet, die immer noch im Machtbereich der 4 großen Energiekonzerne RWE, E.o.n., EnBW und Vattenfall liegt. Die Produktionsmittel wurden durch dieses Gesetz von oben nach unten umverteilt, Hunderttausende in unserem Land produzieren seitdem selber Energie. Waren es etwa im Strombereich vor 10 Jahren gerade mal 3 % aus erneuerbaren Quellen, so sind es aktuell bereits 19 %, die aus Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft gewonnen werden. Das bedeuten aber auch 19 % Marktverluste für die vier Energieriesen. Und 2050 soll der Strom aus 100 % erneuerbaren Quellen kommen. Schon heute gibt es Gemeinden, die sich zu 100 % aus erneuerbaren Quellen versorgen. Das ist auch gut so, denn die fossilen Energieträger, wie Öl, Gas, Kohle gehen zur Neige bzw. heizen über ihre schädlichen Emissionen beim Verbrennen das Klima auf, was zu eben diesen zunehmenden Katastrophen weltweit führt. Und Atomenergie mit all ihren Risiken und Endlagerproblemen bieten den Menschen eben auch keine vernünftige Alternative. Erst unlängst informierte der weltgrößte Versicherer, die Münchner Rück, dass allein 2010 weltweit über 800 Katastrophen auftraten, in deren Folge 21 000 Menschen umkamen und die Kosten von über 50 Milliarden Euro verursachten. Das Jahr 2010 wird zugleich als eines der wärmsten seit Wetteraufzeichnungsbeginn vor 130 Jahren in die Statistik eingehen. Lassen wir uns nicht davon täuschen, dass wir hier bei uns wieder kalte Winter haben.
Doch die Vertreter der fossil-atomaren Energien räumen das Feld nicht ungeschlagen. Noch beherrschen sie im Strombereich Deutschland. Noch kommt der Großteil des Stroms aus ihrem zumeist fossil-atomaren Kraftwerksbestand und sie machen jährlich Milliarden Gewinne. Sie diktieren als Oligopole bar jeden Wettbewerbs auch die Strompreise in unserem Land. Das Schlimmste jedoch: Sie und ihre Lobbyisten in Parlament und Ministerien führen auch der schwarz-gelben Koalitionsregierung die Hand bei der Ausarbeitung von Energiegesetzen. Kein Wunder, dass das so im Herbst von der schwarz-gelben Koalition beschlossene und von ihr als Revolution gefeierte Energiekonzept nichts anderes ist, als ein herber Schlag gegen Erneuerbare Energien, auch wenn es anders deklariert wird. Die im Jahre 2000 begonnene Demokratisierung der Energiewirtschaft soll beendet werden. Das Feld war zuvor von Politik und Medien gut dafür vorbereitet worden. Absenkung der im EEG festgelegten Stromerlöse um 25 % in diesem Jahr, Verbreitung der Mär von sogenannten Stromlücken und fehlender Netzsicherheit sowie die Lüge überdimensionale Strompreiserhöhungen durch die Erneuerbarten. Dazu die Notwendigkeit von angeblich notwendigen Brückentechnologien, mit denen der Bau neuer Kohlekraftwerke und AKW-Laufzeitverlängerungen begründet werden. Die Meldungen in den letzten Wochen und Monaten überschlagen sich förmlich. Kein Wort dagegen davon, dass im ersten Halbjahr 2010 sieben deutsche Atomkraftwerke überhaupt nicht am Netz waren und trotzdem 11 Mrd. Kilowatt- stunden exportiert wurden und die 4 Konzerne 18 Mrd. Gewinne einfuhren. Letzteres vor allem dadurch, dass wir Verbraucher zur Kasse gebeten wurden.
Wir Menschen sollten uns nicht belügen und täuschen lassen. Und sind wir mal ehrlich: Von Klimawandel ist keine Rede mehr. Vielleicht doch, wenn wir in diesen Tagen nach Cancun schauen. Dort tagt die Weltgemeinschaft, um ein neues Klimaschutzabkommen nach Kyoto zu erarbeiten. Doch was dabei herauskommen wird, steht in den Sternen. Wir erinnern uns noch, als vor 3 Jahren die Kanzlerin am Nordpol vor Eisbären und schwindendem Packeis stand und europaweit als Klimakanzlerin gefeiert wurde. Sie ist wie schon so oft in ihrer Regierungszeit wieder einmal eingeknickt, diesmal vor den Energieriesen.
Und wir Menschen? Bleiben wir im Osterzgebirge. Die in den letzten Jahren mit den Wasserkraftwerken, etwa entlang der Weißeritz, mit Hunderten Solaranlagen auf den Süddächern, mit Windrädern, etwa um Hennersdorf, Reinholdshain und Hermsdorf, mit über 15 Biogasanlagen im Landkreis sowie mit der Umstellung von Heizungsanlagen erreichten CO2-Einsparungen sind gewaltig, denn sie schlagen mit 100 000en Tonnen zu Buche, was dem Klimawandel entgegen wirkt. Trotzdem finden die Erneuerbaren nicht bei allen Bürgern ungeteilte Zustimmung. Davon zeugen auch Bürgerproteste, etwa gegen Windkraftanlagen in Borlas oder am Erzgebirgskamm, Biogasanlagen wie in Hänichen oder wie zuletzt auch gegen Solarfreiflächenanlagen bei Moldawa oder Kurort Hartha. Zugegebenermaßen bin ich auch nicht dafür, dass der Ostergebirgskamm mit Hunderten von Windrädern verstellt wird. Und solange im Landkreis noch Tausende von Süddächern noch keine Sonne ernten, sollte man vorrangig diese solar decken, bevor man in die Fläche geht. Und bei Biogasanlagen sind die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft, aber wie bei Windkraftanlagen und Solarfreiflächen sollte man immer die Bürger in der Region rechtzeitig in den Entscheidungsprozess demokratisch mit einbeziehen. Das gilt auch und besonders für die investitionsbereiten Landwirte. Gerade bei Biogasanlagen sollten vor den Investitionsentscheidungen die Kommunen mit ins Boot genommen werden. Denn sie sind es, die von der Energieausbeute profitieren könnten. Etwa durch Nahwärmenetze, mittels derer die Wärme die Häuser der Bürger aus regionalen Quellen beheizt werden könnten statt aus immer teurer werdenden Importen von Öl und Gas. Wertschöpfung in der Region durch Nutzung von Sonne, Wind und Biomasse ist allemal besser als in Saudiarabien und Russland, denn sie führt hier zu Wohlstand und Arbeit und erspart uns teure Importe, die außerdem vor allem Schaden anrichten. Wer rechtzeitig die Menschen in den Prozess einbezieht und an den Erneuerbaren partizipieren lässt, vermeidet Wutpotenzial nach Entscheidungen. Stuttgart 21 sollte auch bei uns eine Lehre sein.
Aber um erneuerbare Energien herumkommen werden weder die Regierenden noch die Bürger, die sich dem Paradigmenwechsel einer Energiewende entgegenstellen. Es geht einzig allein um die Frage: Wollen wir mit einem „Weiter so“ in den sicheren Abgrund fahren oder uns ernsthaft mit dem das Klima vernichtenden Ressourcenabbau und der fossil-atomaren Verbrennung entgegenstellen. Wer gegen Energie aus Sonne, Wind, Wasser, Geothermie oder Biomasse ist, muss sich die Frage gefallen lassen, wie eines der Hauptprobleme der Menschheit im 21. Jahrhundert gelöst werden soll. Übrigens geht es weniger um unsere Generation, als die unserer Enkel und deren Nachfahren. Sie werden einst die Frage stellen, was wir ihnen von unserem Planeten überlassen haben. Deshalb liegt es gerade an uns, jetzt umzudenken.
Insofern ist mir nicht bange, dass wir auch noch in 20 Jahren und darüber hinaus Lichterweihnacht im Osterzgebirge haben werden, dann jedoch mittels sauberen Stroms aus der Region.