Am vergangenen Dienstag fand eine Podiumsdiskussion in den Parksälen statt. Vertreter von Bündnis 90/ Die Grünen wollten über das Thema „Wie weiter mit Bus und Bahn in der Region Dippoldiswalde“ sprechen. Eingeladen dazu hatten sie sich den Oberbürgermeister von Dippoldiswalde Ralf Kerndt, Kati Hille aus dem Landratsamt, die kurzfristig durch Peter Darmstadt (Beigeordneter im Landratsamt und Leiter des Geschäftsbereiches Gesundheit und Soziales im Landkreis) vertreten wurde, Wieland Büttner als bewegten Bürger und unermüdlichen Kämpfer für den vollständigen Wiederaufbau der Kleinbahn, sowie Eva Jähnigen, die in der Grünen Landtagsfraktion in Sachsen die verkehrspolitische Sprecherin ist. Moderiert wurde der Abend von Claus Krüger, Kreisrat der Grünen in unserer Region.

v.l.: Ralf Kerndt, Peter Darmstadt, Claus Krüger, Wieland Büttner, Eva Jähnigen
Mit einer kurzen Präsentation informierte Eva Jähnigen die 15 anwesenden Gäste über den Status Quo, z.B.:
- Sachsen erhält für den Betrieb des öffentlichen Verkehrs vom Bund für die Jahre 2011/12 33 Mio. Euro mehr als für 2010. Allerdings will der Freistaat den Verkehrsverbänden 43 Mio. Euro weniger weitergeben. Damit streicht das Land Bus und Bahn de facto 76 Mio. Euro für beide Jahre.
- Von den Bundesmitteln für die sächsische Infrastruktur flossen bisher lediglich 25 Prozent in den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV). Mit dem Rest wurden Straßen gebaut. Ab 2011 sollen sogar nur noch 14,7 Prozent für den öffentlichen Verkehr ausgegeben werden. Dies ist der geringste Anteil im Vergleich aller Bundesländer.
- 70 % der Bundesmittel für sächsische Infrastrukturprojekte für den öffentlichen Verkehr im Jahr 2011 erhält der City-Tunnel Leipzig (weitere Informationen gibt es hier)
Dass somit verschiedene Verkehrsprojekte in unserer Region gefährdet sind, z.B. der derzeitige Fahrplan der Weißeritztalbahn, die kreisüberschreitende Buslinie von Dresden nach Olbernhau, Neuinvestitionen in moderne Busse und Bahnen, ist kein Geheimnis. Aber auch steigende Fahrpreise für alle Nutzer der öffentlichen Verkehrsmittel sind unausweichlich.
Ratlos 1: Leider war sowohl im Podium als auch unter den Gästen niemand (außer Landtagsmitglied Eva Jähnigen) vertreten, der diese Misstände ändern könnte. Selbst wenn alle Teilnehmer des Abends Kopfstand gemacht und mit den Ohren gewackelt hätten, würde dies die Dresdner Politiker kaum bewegen.
Ratlos 2: Der Dippser Bürgermeister Ralf Kerndt empfand alles als nicht so schlimm für seine Stadt. Dipps könne auch mit den geplanten Einsparungen beim ÖPNV ganz gut leben.
Ratlos 3: Peter Darmstadt berichtete vom CDU-Parteitag, wo er leider keine Mehrheit in seiner Partei für einen entsprechenden Beschluss zur Sicherstellung des ÖPNV erzielen konnte. Dass er sich dort einsetzte, glaubt man dem Mann, der seine eigenen Aktivitäten etwas zu laut im Tonfall vortrug. Interessant wird es aber, wenn er sich den Bedenken der Grünen im Grunde anschließt und dem sächsischen Verkehrsminister Sven Morlok polternd „Schwachsinn“ bei seinen Entscheidungen und „Blödsinn“ in seinen Reden vorwirft.
Ratlos 4: Missstände bei der Vermarktung der Kleinbahn wurden von allen Seiten ausgemacht. Allerdings passte dieser Zweig der Diskussion nicht wirklich in den Abend. Und mit dem Ralf Kerndt saß eigentlich auch ein Mann mit am Tisch, der hier schon längst hätte aktiv werden müssen. Schließlich ist er nicht nur Bürgermeister einer Stadt, wo die Kleinbahn zufällig durch fährt, sondern auch im Vorstand der regionalen Tourismusgesellschaft sowie Mitglied im Zweckverband des Verkehrsverbundes.
Ratlos 5: In seinen Ausführungen machte sich Peter Darmstadt über die hilflosen Protestaktionen der Kleinbahnfreunde in den letzten Monaten nahezu lustig. Die Politik habe aus seiner Sicht andere Möglichkeiten, hier einzugreifen. Als er aber gefragt wurde, wie man als Bewohner in der Region seinen Unmut am besten ausdrücken kann bzw. was man gegen die geplanten Kürzungen unternehmen könne, erwartete Darmstadt mehr bürgerschaftliches Engagement – mehr Protest.
Ratlos 6: Leider scheint der Beigeordnete des Kreises auch nach vielen Jahren noch nicht in der Region angekommen zu sein. Obwohl schon seit vielen Jahren in hohen Positionen in Sachsen tätig, schweift er bei seinen Erklärungen und Begründungen gern in ein früheres Leben im Westen Deutschlands ab. Und so erklärt er aktuelle Probleme in unserem Kreis gern mit den Erfahrungen, die seine Familienmitglieder gerade bei Protesten gegen Bahnlärm am Mittelrhein machen oder er bringt Stories von Dienstreisen ins Gespräch, die mitnichten mit unserer Region in Verbindung stehen.
Ratlos 7: Alle Anwesenden waren sich einig, dass lediglich der Schülerverkehr noch ein Garant für die Aufrechterhaltung des ÖPNV im ländlichen Raum ist. Ohne den wären die Kürzungen wohl schon längst ungleich einschneidender gewesen. Vielleicht hatten die vielen Schulschließungen im ländlichen Raum doch einen tieferen Sinn?
Ratlos 8: In einer Kolumne in der heutigen Sächsischen Zeitung beschwert sich Redakteur Franz Herz, dass betroffene Bürger am Dienstag während der Diskussion laut und emotional ihre Meinung sagten. Er hätte sich gern gewünscht, dass hier die Versammlungsleitung eingegriffen hätte. Diese Art der „Berichterstattung“ erinnert schon fast wieder an die längst vergessen geglaubten Zentralorgane herrschender Parteien, denn die „verbale Kraftmeierei“ von Peter Darmstadt wurde nicht kritisiert. Und im Übrigen, Herr Herz: Minister werden nicht vom Volk gewählt und können daher auch nicht abgewählt werden! Und nicht zuletzt ist gerade die Meinungsfreiheit eines der wichtigsten Güter dieser Gesellschaft.