Ein subjektiver Erlebnisbericht
Im Januar erfuhr ich zufällig vom Bestehen eines Präventiven Rates in Dippoldiswalde. Da Prävention mit „zuvorkommen“ oder „verhüten“ übersetzt werden kann, machte mich diese Einladung neugierig. Dass es nicht um Winterreifen als Prävention gegen Straßenglätte oder um Verhütung gegen ungewollte Schwangerschaften gehen konnte, zeigte mir die Tagesordnung des Abends relativ schnell:
Die Jugend bereitet Probleme, man will etwas tun.
Mich überraschte die Anzahl der Besucher des Abends. Bürgermeister, zwei Stadträte, Mitarbeiter von Stadtverwaltung und Polizei, Leute vom Pro Jugend e.V. und verschiedene Bürger aus Dippoldiswalde traf man an. Zirka 17 Personen diskutierten über Jugendliche, die sich diesen Abend wohlweislich geschenkt hatten.
Ein smarter älterer Herr, der sich bis zuletzt nicht vorstellte, leitete die Versammlung. Er übergab das Wort an unseren Oberbürgermeister, der erst einmal sein Unverständnis über die nicht anwesenden Jugendlichen äußerte. Im nächsten Satz erwähnte er, dass sich der Stadtrat bis jetzt aber auch noch nicht mit der Arbeit des Präventiven Rates auseinandergesetzt hatte.
Bei einem konspirativen Gespräch mit meinem Nachbarn erfuhr ich, dass der Präventive Rat früher die Vorsilbe „Kriminal-„ hatte. Da es aber in Dippoldiswalde keine außergewöhnliche Jugendkriminalität gebe, wurde dies im Namen einfach weggelassen.
Nun kamen verschiedene Bürger zu Wort. Zumeist wohnten sie in der Nähe des alten Stadtbades am Rölligteich. Meine nächste Erkenntnis: In Dippoldiswalde gibt es ein Blitzgeschwader. Dies soll eine Jugendgruppe sein, die nicht nur Krach, sondern auch sonst noch Probleme macht. Der Bürgermeister konnte dies bestätigen. Und obwohl er keinen Ansprechpartner kannte, darf das „Blitzgeschwader“ städtische Räume am alten Stadtbad nutzen. Selbst nach einem Brand in der Immobilie besteht weiterhin eine Nutzungsmöglichkeit.
„Ob es denn keine Nutzungsvereinbarung gäbe, die feste Regeln für die Mietsache beinhalte?“ Diese mehrfach gestellte Frage wurde an dem Abend nicht beantwortet. Viele positive Worte gab es für das „Blitzgeschwader“ nicht, bevor Heiko Grummt von Pro Jugend das Wort ergriff. Er erklärte, dass es in dieser Gruppierung doch Verantwortliche und auch eine Struktur gäbe. Außerdem nahm er die Jugendlichen in Schutz: Zur Verfügung gestellte Baumaterialien wurden schnell und verantwortungsvoll verarbeitet. Leider wurden aber mehrfach Zusagen der Stadtverwaltung zur Instandsetzung der Räumlichkeiten nicht eingehalten. Die Heranwachsenden seien frustriert über die Glaubwürdigkeit der Verantwortlichen im Rathaus.
Der Bürgermeister bestätigte dies mit Verweis auf eine Haushaltsperre im Rathaus. Vielleicht sei im Mai 2010 Geld für den Jugendklub übrig.
Nun wollte ich mich auch an der Diskussion beteiligen und fragte an, warum es keine klare Linie bei der Jugendarbeit in der Stadt Dippoldiswalde gibt. Verschiedene Jugendklubs, selbst welche, die den Alkoholmissbrauch im Namen führen, wurden in den letzten 10 Jahren finanziell oder durch Sachleistungen „gefördert“. Die Chance auf ein Familien- Jugend-und Freitzeitzentrum am ehemaligen Behälterbau – das Geld hierfür wurde bereits in Aussicht gestellt – haben unsere Stadtväter in dieser Zeit leider leichtfertig versemmelt.
Und: Mit dem Ausschuss für Kultur, Jugend, Schule, Sport und Tourismus gibt es ja bereits ein Gremium für Jugend- und Freizeit-Probleme, warum wird dort nicht öffentlich diskutiert?
Diese Kritik, gepaart mit verschiedenen Vorschlägen, schien jedoch dem mir noch immer unbekannten Versammlungsleiter nicht zu gefallen, er würgte das Thema ab. Stattdessen wollte er lieber einen Grillplatz bzw. Treffpunkt im Stadtgebiet von Dipps besprechen. Mit Hinweis auf die fortgeschrittene Stunde wurde dann der Abend relativ schnell beendet. Der Versammlungsleiter bestätigte noch einmal, dass es den (Kriminal-)Präventiven Rat schon seit über einem Jahr gebe, und bisher noch kein konkretes Ergebnis vorgelegt werden konnte. Und der Bürgermeister grantelte, dass sich die Jugendlichen nicht in der Stadt oder beim Stadtfest engagieren.
Das nächste Treffen werde es mit dem Herrn Oberstaatsanwalt Andreas Feron aus Dresden! im März geben. Die neue Tagesordnung stand bereits hier in der StattZeitung. Ob Jugendliche auf diese Themen Bock haben? Ich für meine Person werde dieses ergebnisoffene Gremium zukünftig meiden.
PS: Der Name des Versammlungsleiters lautete Kurt Reichel. Dies ergab eine investigative Nachfrage nach seiner Mail-Adresse. Er kandidierte erfolglos auf der Liste der SPD bei der letzten Stadtratswahl im vergangenen Jahr, zeigte mir ein Faltblatt dieser Partei.
PPS: Eine Gruppierung von Jugendlichen, die sich den inhaltsschweren Namen BVL (= BierVernichtungsLager) gegeben haben, nutzen noch immer städtische Räume im Gebäude der MittelSCHULE!