Märchen oder Realität? – Das ist die Frage!
Wie jedes gute Märchen, so beginnt auch dieses mit den Worten: Es war einmal…
(von Thomas Hesse)
Es war einmal eine kleine beschauliche Stadt am Rande des Erzgebirges. Die Bürger gingen ihren jeweiligen Geschäften nach, mal mehr, mal weniger froh. Doch insgesamt war es eine gemütliche Stadt, in der die Einwohner sehr gerne lebten, auch weil hier immer noch das Prinzip galt: Eine Hand wäscht die andere. Sah man jedoch genauer hin, so waren es nur wenige Hände, die an diesem „Waschritual“ beteiligt waren. Die Bürger wussten dies, aber es schien sie nicht zu stören.
Die Jahre gingen ins Land. Während andere Städte im nahen Umfeld Strategien für die Zukunft planten, um den wirtschaftlichen und sozialen Widrigkeiten zu trotzen, steckten die Bürger unserer kleinen Stadt den Kopf in den Sand. Denn über den Tellerrand zu sehen, bedeutet geliebte Gewohnheiten zu verlassen. Und insbesondere die „Händewäscher“ lebten nach der Devise von Archimedes „Störe meine (unsere) Kreise nicht!“.
Nun gab es, wie in jeder anderen Stadt, auch hier ein Stadtoberhaupt, das über die Geschicke dieser kleinen Stadt wachte. Es war ein älterer und sympathischer Herr, der bei der Bevölkerung relativ beliebt war. Begründet lag dies in der Ursache, dass er keiner Fliege etwas zu leide tun konnte und jedem, der (s)eine Meinung äußerte, recht gab. Dass dies zum Teil kontraproduktiv war, konnte er sich zwar vorstellen, doch er wollte überall und bei jedem als der „Gutmensch“ gelten.
Ihm zur Seite stand ein Rat, der bestimmt viel wusste, aber relativ wenig bewirkte. Anstatt zusammen mit dem Bürgermeister eine Vision zu entwickeln, damit alle Bürger, alle Gewerbetreibenden ein gemeinsames Ziel verfolgen konnten, die die Stadt für Außenstehende und Investoren interessanter macht, verwaltete er nur Bestehendes – und dies mehr schlecht, als recht. Denn jede Neuerung hätte so manchen Kreis und eventuell auch damit verbundene „Waschrituale“ gestört. Außerdem, und dies weiß schon jedes Kind, ist es bequemer erst einmal gegen alles zu sein.
Und so kam es, dass die Stadt im Laufe der Zeit in einen Dornröschen-Schlaf versank. Während in vielen anderen Städten im Umkreis die Zukunft geplant wurde, verplante man hier nur die Gegenwart.
Aber man war ja nicht dumm. Um dem einen oder anderen Kritiker zu zeigen, dass man neue Wege gehen „möchte“, beauftragte man eine stadteigene Gesellschaft ein Touristikkonzept zu erstellen. Dieses sollte dafür sorgen, dass das Kleinod, auf das man sich besann, wieder den Stellenwert bekam, den es in grauer Vorzeit schon einmal hatte.
Der Chef dieser Gesellschaft war ein umtriebiger Mann, der viele gute Ideen hatte. Er sollte alles wieder richten, was die Stadt viele Jahre versäumt hatte. Doch es gab eine Vorgabe: Es durfte nichts kosten. Denn die Stadt gab ihr kostbares Geld lieber für so manche unsinnige Konzeption aus. Dass sie dabei dem Bürgerwillen nach der Entwicklung eines Stadtentwicklungskonzeptes, das Jahrzehnte Bestand haben wird, nicht nachkam, übersah sie großzügig.
Des Weiteren, so war der Gedanke der Stadtobrigkeiten, konnte man sich auf die eigene Schulter klopfen und feiern lassen, wenn der Plan gelang und einen Buhmann ausmachen, wenn nicht. Dieses Spiel hatte man ja schon bei seinem Vorgänger mit Bravour gespielt.
So lebten sie weiter und (un)glücklich bis sie gestorben sind – in dem Gedanken nichts zu tun, denn dann konnte man ja auch nichts falsch machen – und dies aus vollem Herzen.
Aber Gott-sei-Dank ist es nur ein Märchen. Oder? Damit es auch ein Märchen bleibt, sollten alle folgenden Grundsatz beherzigen:
„Baut eure Stadt, in der es sich zu leben wohnt. Je lebenswerter euer Stadtteil ist, desto glücklicher sind eure Einwohner. Seid innovativ und plant die Zukunft. Und dies gemeinsam und komplex.“
Wenn dies geschieht, kann man in Zukunft frei nach Friedrich Schiller sagen: Wanderer kommst du nach Dipps, verkünde dorten, dass es keine lebenswertere Stadt gibt, als diese.