Die Mär von der Daseinsvorsorge …
oder warum der neue Polypark alternativlos ist
Am kommenden Mittwoch beschließt der Dippser Stadtrat darüber, 451.000 Euro für einen neuen Park im Dippser Stadtgebiet auszugeben. Für einen Park, der bei großen Teilen der Bevölkerung großes Unverständnis hervorruft.
Die Dippser StattZeitung versucht hier eine Aufarbeitung der Geschehnisse:
Am Anfang der Geschichte steht eine alte Industriebrache. Vor ca. 100 Jahren wurden hier durch die Familie Reichel Strohhüte hergestellt. Später wurde das Geschäft durch die heute noch existierende Wäscherei ergänzt.
Zur Ruine verkam das Gebäude in den letzten Jahren der DDR. Später versuchten ein paar Unternehmer verschiedene Nutzungen in das Haus zu integrieren, scheiterten damit jedoch. Durch die Stadt Dippoldiswalde wurde die Ruine mit dem Ziel aufgekauft, das Gebäude abzubrechen und die Grundstücke zu renaturieren.
Hierfür brauchte man allerdings finanzielle Unterstützung von Vater Staat, die Stadt beantragte 2009 Fördergelder “für die Revitalisierung von Industriebrachen und Konversionsflächen”. Im Mai 2012 gab es für diese Vorhaben grünes Licht. Bereits ein paar Monate später mussten Kostenerhöhungen nachgereicht werden. Dies passierte wohl auch, weil der Fördergeldstelle Anfangs nicht genug Mittel zur Verfügung standen. Generell aber wurde der Vorgang in der Regel in den Hinterzimmern des Stadtrates besprochen, eine Information der Bevölkerung fand kaum statt. Dies ist insofern “verständlich”, als dass bei der Bauleitung mal wieder gute alte Bekannte mit Aufträgen bedacht wurden.
Nach Information der StattZeitung stiegen die Gesamtkosten von anfangs etwas über 500 T€ auf nunmehr fast 765 T€. Der fällige Eigenanteil erhöhte sich auf ca. 200 T€ von denen jedoch die Sächsische Aufbaubank wiederum 50% ersetzt. Also bleiben für das Stadtsäckel immer noch 101.491,90 Euro als Belastung übrig.
Im verbindlichen Zuwendungsbescheid wurde eine zweckgebundene Nutzung der Fördergelder und eine Nachnutzung des Areals “als Grünfläche” eingefordert.
Und nun kommt unter Punkt 17 der Nebenbestimmungen ein Satz, der vom Rathaus bis heute immer wieder falsch interpretiert wird: “Die Zuwendung aus dem Bund-Länder-Programm (KSP) erfolgt unter dem Vorbehalt, dass auf dem freigelegten Areal eine Maßnahme der Daseinsvorsorge durchgeführt wird.”
Da bei den o.g. Kosten lediglich 30 T€ für die Gestaltung der Außenanlagen eingeplant waren, bemühte sich die Stadtverwaltung um zusätzliche Fördergelder. Man hatte Glück, denn über die Städtebauförderung (KSP) erhielt man die Zusage für weitere 451 T€. Hier teilen sich Bund, Land und Stadt die Kosten zu jeweils einem Drittel. Bleiben also wieder 150 T€ als Kosten für unsere Stadt übrig.
Daseinsvorsorge? Über eine genaue Definition dieses Begriffes streiten sich die Gelehrten. Generell bedeutet Daseinsvorsorge “die staatliche Aufgabe zur Bereitstellung der für ein menschliches Dasein als notwendig erachteten Güter und Leistungen”. Dazu zählen u.a. die medizinische Grundversorgung, der öffentliche Personennahverkehr, Gas-, Wasser-, Elektrizitätsversorgung, Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung, Bildungs- und Kultureinrichtungen, Friedhöfe, die Postzustellung usw. Im Übrigen zählt auch der Rundfunkempfang sowie wohl in Kürze auch ein Breitband-Internetzugang zur Grundversorgung, um einer digitalen Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken. (Quelle: Wikipedia)
Wie und warum letztendlich ein “Mehrgenerationenpark” als einziges Projekt für die Daseinsvorsorge übrig blieb, dies können wohl nur Bernd Kohl vom Dippser Bauamt oder die Dippser Stadträte erklären. Ein Park kann tatsächlich “Daseinsvorsorge” sein. Inwieweit aber in Dippoldiswalde eine weitere innerstädtische Grünanlage benötigt wird (Schlosspark, Rosenpark, Clemens Holzschuh-Hain mit der Technikumallee sind alle nur einen Steinwurf entfernt), wurde in diesem Zusammenhang bisher nicht offen diskutiert.
Eine angebliche “umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit mit Anwohnern, Kindern und Jugendlichen, sowie einer Einwohnerversammlung” ist eine Verklärung der Geschehnisse. Dem Planungsbüro wurden seitens der Stadt ganz konkrete Vorgaben gemacht, was letztendlich erwartet wird. Mit einer fast als despotisch zu bezeichnenden Amtsführung blieben bisher die Bürger und Steuerzahler vom Projekt ausgeschlossen.
Die Öffentlichkeitsarbeit bestand lediglich darin, ein fertiges Projekt vorzustellen. Alternative Konzepte oder Vorschläge von Bürgern wurden durch die Verwaltung nicht zur Kenntnis genommen. Die angeblich durchgeführte Einwohnerversammlung ist im gesetzlichen Sinne eher eine Anmaßung, denn zum Durchführen einer “Einwohnerversammlung” müssen verschiedene Vorschriften der Sächsischen Gemeindeordnung (§22) beachtet werden. Diese Bestimmungen wurden ignoriert.
Letztendlich konnte die Verwaltung bis zur aktuellen Beschlussvorlage in dieser Woche keine Zahlen nennen, mit welchen Kosten die Pflege und Unterhaltung des Mehrgenerationenparks zu Buche schlagen wird.
Bernd Kohl, als Sachbearbeiter in der städtischen Bauverwaltung tätig und für dieses Projekt hauptsächlich verantwortlich, wollte eigentlich aufgrund der vielen offenen Fragen das Bauvorhaben PolyPark im Amtsblatt noch einmal detailliert vorstellen. Auch dies ist bisher nicht geschehen, was eine Stichwortsuche im Amtsblatt bestätigte.
Die bisher vorgelegte Planung – ein kleiner Park mit künstlichem Hügel, Grillecke, diverse Kletter- und Sportgeräte und dazu ein künstlicher Bachlauf nebst Matschecke für die Kleinen – löste bisher keine wirklichen Begeisterungsstürme bei den Dippser Bürgern aus. Dass hierfür nahezu eine halbe Million Euro ausgegeben werden soll, ist kaum vermittelbar für eine Stadt, die finanziell mit dem Rücken an der Wand steht. Auch das die Kosten von 450.000 Euro zu zwei Dritteln über Fördermittel bezahlt werden, kann nichts an dem Vorwurf der geplanten Geldverschwendung ändern.
Nun werden jährlich noch einmal 12.000 Euro für Pflege und Instandhaltung kalkuliert. Gemäß Sächsischer Gemeindeordnung §67 Abs. 1 Pkt. 3 ist für die Pflege des Ortsbildes sowie die Unterhaltung und Ausgestaltung der öffentlichen Park- und Grünanlagen (sofern deren Bedeutung nicht wesentlich über die Ortschaft hinausgeht) der Ortschaftsrat zuständig. Ob dieses Gremium diese Aufgabe überhaupt leisten kann? Im Übrigen lehnte dieser Ortschaftsrat bereits schon im Oktober 2014 den Bau des Mehrgenerationenparks aus Kostengründen ab (siehe Amtsblatt 11/2014, S.8), da im Fördermittelbescheid diese Investition nicht zwingend gefordert wurde. Der Zuwendungsbescheid sehe lediglich eine Nachnutzung als Grünfläche vor – war die Argumentation der Ortschaftsräte in der Kernstadt. Nicht zuletzt wollte man die Einsichtnahme in das Radewegekonzept, welches eine der Grundlagen für die Planung des Parks sein soll. Aber auch hierzu gibt es nach einer Information der StattZeitung für den Ortschaftsrat keine neueren Erkenntnisse.
Warum also wird etwas mit viel Geld gebaut, was niemand möchte, was wir uns eigentlich nicht leisten können und was letztendlich auch wieder hohe Folgekosten verursacht? Immer, wenn die Verwaltung im Rathaus blind auf ihrem Steckenpferd reitet, kann man dies anscheinend schon als “alternativlos”* bezeichnen.
* Mit diesem Unwort des Jahres 2010 suggerierten Politiker sachlich unangemessen, dass es bei einem Entscheidungsprozess von vornherein keine Alternativen und damit auch keine Notwendigkeit der Diskussion und Argumentation gebe. Dass mit solch einem Handeln auch die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zunimmt, …
März 18th, 2015 at 20:19
Hallo, die ausführlichen Darlegungen machen mich sprachlos! Gelder sollten nicht verbraucht werden, wo sie nicht angebracht sind (mit einfachen Rentnerworten gesagt!). Schlimm wäre dann eine ungepflegte Anlage!!
Durch meine familienbezogene Erziehung hänge ich, wie meine Vorfahren sehr an Dipps, dem alten Dipps. Meine Vorfahren waren da sehr integriert. Mein Ururgroßvater Hermann, Heinrich Reichel, hatte das Haus am Markt, das jetzige Polizeigebäude und baute es vom Kolonialwarenhandel in eine Strohflechterei um, bis schließlich dann die Strohhutfabrik ( danach Polypack) am Bahnhof von meinem Urgroßvater, Johann Gotthold Reichel, gebaut wurde. Er war auch stellvertretender Bürgermeister. 1906 besuchte sogar der Sachsenkonig, Friedrich August, die Strohhutfabrik und meine Großeltern. 1909 sponsorte mein Urgroßvater das Dippoldiswalder Standesamtzimmer im Rathaus mit den Bleiglasfenstern, die leider immer noch nicht wieder den Weg ins Standesamt gefunden haben. Der Anlass war die Hochzeit seiner Tochter 1909, die einen Müllerschüler heiratete und dann in das Rheinland umsiedelte, wo sie eine Mühle besaßen. Mein Großvater, Arthur Reichel, der letzte Besitzer der Strohhutfabrik war auch Feuerwehrhauptmann von Dippoldiswalde und hat da viele Verdienste für die Stadt.
Was mir für Dipps persönlich am Herzen liegt>>>>
1. Dass die Bleiglasfenster, die jetzt versteckt in der Fremdenverkehrsgemeinschaft an Fenstern sind, wieder im Standesamt zur Geltung kommen.
2. Wenn irgendetwas bei dem Gelände der ehemaligen Polypack (Strohhutfabrik) unternommen wird, dass da eine Linde zur Erinnerung der Strohhutfabrik/Familie Reichel gepflanzt wird. Denn bei der Fertigstellung der Strohhutfabrik wurde eine Linde gepflanzt. Sie wurde leider zu frühen DDR-Zeiten gefällt. Als meine Tante 1909 ins Rheinland übersiedelte bekam sie einen Ableger der Linde vom Vaterhaus mit. Sie steht heute noch als rießiger Baum vor der Hasselmühle in Wendelsheim. Auch dort gibt es Ableger. Symbolisch sollte da hier wieder eine Linde (in dem zu entstehendem Park (ich glaube nicht daran)/Gelände?) mit Erinnerungstafel gepflanzt werden.
1910 hatte die Strohhutfabrik ca. 300 männliche und weibl. Arbeitskräfte in der Produktion, sowie 30 Beamte. Hinzukamen viele Heimarbeiterinnen die Strohgeflechte für die späteren Hüte herstellten. Die bekannten Panamahüte wurden in Dipps hier hergestellt und gingen in alle Welt!!
März 27th, 2015 at 18:58
[...] Bei der vergangenen Stadtratssitzung wurde der in der Dippser Bevölkerung äußerst kontrovers diskutierte “Polypark” mit Mehrheit beschlossen. 15 Ja-Stimmen gegen 9 Ablehnungen, bei einer Enthaltung. Die Dippser StattZeitung berichtete über dieses Bauvorhaben bereits ausführlich. [...]