Entmündigung von Ortschaftsräten
“Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen in Gemeindeangelegenheiten mit Vorschlägen, Bitten und Beschwerden (Petitionen) an die Gemeinde zu wenden.” Dies ist in der Sächsischen Gemeindeordnung (§12 – Petitionsrecht) festgeschrieben.
Am Mittwoch soll der Stadtrat eine Änderung der Geschäftsordnung des Stadtrates beschließen. Im § 32 ist dort sinngemäß verankert, dass alle Bestimmungen für den Stadtrat auch auf die Ortschaftsräte zu übertragen sind.
Allerdings soll nun folgende Einschränkung erfolgen:
§ 32 – Geschäftsgang der Ortschaftsräte
(4) Nur der Ortsvorsteher oder sein Stellvertreter können die Belange der Ortschaft im Stadtrat bzw. nach Außen oder an Dritte vertreten.
Dies bedeutet “Maulkorb” bzw. Entmündigung für alle Ortschaftsräte! Ab sofort darf demzufolge kein Ortschaftsrat mehr eine Anfrage an die Verwaltung oder den Stadtrat richten, falls er mal weitere Informationen für seine Meinungsbildung bräuchte. Kein Ortschaftsrat darf über die Belange der Ortschaft mit Dritten sprechen, obwohl er eigentlich den Belangen der Wähler verpflichtet wäre.
Im deutschen Duden steht “Belang” übrigens für: Bedeutung, Wichtigkeit, Interessen, Angelegenheiten, Hinsicht, Beziehung.
Diese Ergänzung kollidiert im Übrigen auch mit einem weiteren Absatz der Sächsischen Gemeindeordnung: Die Gemeinderäte üben ihr Mandat nach dem Gesetz und ihrer freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung aus. An Verpflichtungen und Aufträge, durch die diese Freiheit beschränkt wird, sind sie nicht gebunden.
Warum schreibt man diesen Maulkorberlass nicht gleich auch für die Stadträte vor? “Nur der Bürgermeister oder sein Stellvertreter können die Belange der Stadt nach Außen oder ggü. Dritten vertreten”? Damit könnte man sich viel Aufregung und auch viele komische Nachfragen bzw. gleich die kompletten Kommunalparlamente ersparen!